Wahlprogramm der Union:Agenda Angela

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Angela Merkel kann als Kanzlerin nur Erfolg haben, wenn es ihr gelingt, die Wachstumskräfte in Deutschland freizusetzen. Dazu braucht sie Vertrauen. Und Vertrauen ist schnell verspielt.

Von Nikolaus Piper

CDU und CSU haben es einfach und schwer zugleich. Einfach, weil im Lande immer noch Wechselstimmung herrscht, und die Unionsparteien nach einem Wahlsieg im September mit sicheren Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat werden regieren können.

Schwer haben sie es, weil die hohen Erwartungen, die sich an einen Regierungswechsel knüpfen, in keiner Weise zum Stand der Meinungsbildung in den Unionsparteien passen. Erfolg oder Misserfolg einer Kanzlerin Angela Merkel entscheiden sich auf dem Felde der Wirtschaftspolitik. Und hier gab es bis zuletzt sehr viele Fragezeichen.

Mal gab Merkel die neoliberale Revolutionärin, mal zauderte sie, mal schwieg sie, wenn man gerne ihre Meinung gehört hätte. Zum Beispiel in der Debatte um "Heuschrecken" und das Gesicht des Kapitalismus. Immer wieder versuchten Politiker von CDU und CSU, die Sozialdemokraten rechts und links gleichzeitig zu überholen.

Und erschreckend oft hörte man in den letzten Tagen die ebenso anmaßende wie falsche Ansicht, allein schon ein Regierungswechsel in Berlin sei ein wunderbares Konjunkturprogramm.

Durchaus ermutigend

Gemessen daran ist das, was im Entwurf für das neue Wahlprogramm der Unionsparteien zur Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik steht, durchaus ermutigend. Das Programm ist pragmatisch, nicht revolutionär, es greift vieles auf, was Ökonomen schon lange vorschlagen, um die Wirtschaftsdynamik zurück nach Deutschland zu bringen.

Bei den Arbeitsmarktreformen versuchen Angela Merkel und Edmund Stoiber, von den inzwischen erkennbaren Fehlern zu lernen. So sollen zum Beispiel die missbrauchanfälligen Ich-AGs wieder abgeschafft werden. Auf dem Arbeitsmarkt wird der Kündigungsschutz in kleinen Betrieben für neu Einzustellende gelockert, das betriebliche Bündnis per Gesetz ermöglicht.

SPD und Grünen dürfte es schwer fallen, dies alles als ein Programm der "sozialen Kälte" zu bekämpfen. Eher ist es eine christdemokratische Fortschreibung von Schröders Agenda 2010, ein wenig konsequenter und konsistenter vielleicht, aber gewiss nicht substanziell verschieden. Was die Unionisten im Übrigen über Managergehälter schreiben, hätte auch von Müntefering sein können.

Vor allem ist das Programm erfreulich konkret. Und deshalb erkennt auch der flüchtige Leser sofort dessen größten Mangel: In der Finanzpolitik geben Merkel und Stoiber Versprechungen ab, die sie nie und nimmer werden halten können.

Genauer: Sie werden es nur halten können, wenn ihnen die Weltkonjunktur völlig überraschend zu Hilfe kommt und Deutschland einen exogenen Wachstumsschock beschert. Aber daran zu glauben wäre mehr als fahrlässig bei einem Ölpreis von über 60 Dollar.

Das Problem: Die Union will die Mehrwertsteuer erhöhen und das Geld verwenden, um die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken, sie will Subventionen abschaffen und Schlupflöcher schließen, um so die Steuersätze für Unternehmen und Privatleute senken zu können.

Aber sie will und muss auch aus Steuermitteln den sozialen Ausgleich im Gesundheitswesen finanzieren, wenn sie denn, wie besprochen, die in einem quälenden Verfahren von Stoiber und Merkel beschlossene Gesundheitsprämie einführen will. Und sie will - richtigerweise - bis zum Jahr 2013 einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren können. Offensichtlich passt dies alles nicht zusammen. Hier fehlt ein zweistelliger Milliardenbetrag. Nirgendwo steht, wo der herkommen soll.

Möglicherweise war es ein erster entscheidender Fehler von Angela Merkels Wirtschaftsexperten, dass sie sich sehr früh auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer festgelegt haben. So ein Beschluss wirkt im politischen Prozess zuerst wie ein Befreiungsschlag, dann aber entwickelt er eine Eigendynamik, die sehr schwer zu kontrollieren ist, zumal in einer Volkspartei.

Markt der Begehrlichkeiten

Die zusätzlichen Milliarden wecken Begehrlichkeiten, viele Leute machen sich plötzlich Gedanken darüber, was man mit dem Geld alles anstellen könnte. Und schnell ist die neue Regierung dabei, die Steuerpolitik mit allen möglichen Ansprüchen zu überfrachten - so wie dies auch schon bei der alten der Fall war.

Zudem sind die Wirkungen einer höheren Mehrwertsteuer auf die Konjunktur nur schwer zu kalkulieren. Wenn allerdings das Gesamtkonzept der Steuerpolitik noch unklar ist und nur die zwei Prozentpunkte feststehen, die künftig alle Verbraucher zusätzlich bezahlen müssen, dann kann die Stimmung sehr schnell kippen.

Eichels gut gemeinte, aber handwerklich miserabel ausgeführte Steuerreform von 1999 sollte Merkel und Stoiber eine Mahnung sein. Und erst recht der missglückte Start Schröders nach seiner Wiederwahl 2002 mit der wochenlangen Kakophonie von Steuererhöhungsplänen.Die neue Regierung wird, wenn es denn tatsächlich zum Wechsel kommt, schnell Klarheit schaffen müssen, um ihren Start nicht mit Illusionen und falschen Versprechungen zu belasten.

Angela Merkel kann als Kanzlerin nur Erfolg haben, wenn es ihr gelingt, die Wachstumskräfte in Deutschland freizusetzen. Dazu braucht sie Vertrauen. Und Vertrauen ist schnell verspielt.

© SZ vom 11.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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