Wahlkampf in Niedersachsen:Junges Blut für Ewiggestrige

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Nach dem Vorbild der neuen Bundesländer versucht die NDP jetzt auch im Westen, mit einer Koalition zwischen Altnazis und neuen Kadern zu punkten. Beim Wahlkampf in Niedersachsen setzt die Partei auch auf gewaltbereite Radikale.

Von Arne Boecker

Steif sitzt der ältere Herr auf der Stuhlkante, sein Rücken braucht keine Lehne. Der hellbraune Anzug ist tadellos gebügelt, das dunkelbraune Einstecktuch muss er mit Nadeln fixiert haben. Schwarze Schuhe, blitzeblank. Mit Journalisten redet er nicht, "weil die seit jeher die deutsche Sache verraten".

Neben ihm lümmelt sich ein junger Typ auf dem Stuhl. Auf dem T-Shirt steht: "Eines Tages werdet ihr sehen, dass unser Führer Recht hatte!" Nah neben die Halsschlagader hat er sich Runen und das Wort "Odin" tätowieren lassen. Mit Journalisten redet er nicht, ohne Begründung: "Verschwinde!"

Während des Wahlkampfauftakts der niedersächsischen NPD in der Eilenriedehalle sitzen Altnazi und Neonazi nebeneinander. Zu sagen haben sie sich nichts.

Wenn es nach dem Willen der Parteispitze geht, soll diese Mischung aus ergrauten Ewiggestrigen und testosteronsatten Jungmännern die NPD aus dem Abseits holen. In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern hat dies funktioniert.

Blutauffrischung mit radikalen Kräften

Jetzt wollen die Rechtsextremisten auch westdeutsche Landtage stürmen. "Niedersachsen ist ganz klar der Schwerpunkt unserer Arbeit für die nächsten Monate", sagte der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt in Hannover; Niedersachsen wählt am 27. Januar.

In Hannover, wo der niedersächsische Landesverband am Samstag etwa 600 Gleichgesinnte versammelte, war die NPD vor 43 Jahren gegründet worden. Schon damals fanden sich parteifreie Kräfte und Unzufriedene aus Deutscher Partei oder Deutscher Reichspartei unter diesem Kürzel zusammen.

Zwischen 1966 und 1972 schaffte es die NPD in sieben Landtage. Nach jeweils einer Legislaturperiode flog sie wieder raus. Seitdem bruchlandet sie bei Landtagswahlen in der alten Bundesrepublik stets bei ein, zwei, mal auch bei drei Prozent.

Die NPD zählt in Niedersachsen etwa 800 Mitglieder. Sie ist drastisch überaltert und politisch zahnlos. Jetzt versucht sie eine Blutauffrischung, indem sie parteifreie Kräfte andockt - wie im Osten vorexerziert.

Laut Verfassungsschutz gibt es zwischen Nordsee und Harz etwa 20 Freie Kameradschaften. Viele der etwa 360 Aktivisten sind dafür bekannt, schnell zuzuschlagen. Alt und Jung: Die Strategie spiegelt sich in der Parteispitze wider.

Der Vorsitzende Ulrich Eigenfeld steht für die traditionelle NPD. Er hat Mühe, sich gegen seinen Vize zu behaupten. Der heißt Adolf Dammann und gilt als Verbindungsmann zu den Schlägern in den Kameradschaften.

Brüchiger Superradikalen-Erlass

Wie wacklig die Koalition ist, zeigt das Beispiel des Kameradschafts-Aktivisten Dieter Riefling. Der 39-jährige Hildesheimer ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Körperverletzung und Aufstachelung zum Rassenhass.

Er hat der FAP und dem Netzwerk Blood & Honour angehört; beides sind rechtsextremistische Vereinigungen, beide sind verboten. Weil es Riefling jetzt mit der öffentlichen Verherrlichung des Nationalsozialismus zu weit trieb, verpassten ihm vorsichtige NPD-Funktionäre einen Maulkorb.

Lange hat der interne Superradikalen-Erlass nicht gehalten: Am Samstag durfte Riefling beim Wahlkampfauftakt reden.

Die NPD zieht mit Andreas Molau an der Spitze in den Wahlkampf. Bis vor drei Jahren unterrichtete er an einer Braunschweiger Waldorfschule. Als sein NPD-Engagement bekannt wurde, erhielt er die Kündigung.

Heute schreibt er für die Deutsche Stimme. Die NPD wird versuchen, mit Molaus bürgerlichem Auftreten zu punkten. Der Samstag in der Eilenriedehalle bewies allerdings, dass Molau den aggressiven Kameradschaften nahe steht.

Weil die NPD "keine klassische Partei" sei, setze sie auch "nicht ausschließlich auf den Parlamentarismus", erklärte Molau. Deswegen müsse die NPD "verstärkt freie Kräfte einbinden".

Auf Nachfrage räumte Molau ein, an Demonstrationen teilgenommen zu haben, die von rechtsextremistischen Gewalttätern geprägt wurden. Eine zweite Chance habe jeder verdient, begründete er dies.

In seiner Rede vor den Alt- und Jungkadern in der Eilenriedehalle polemisierte Molau gegen Juden, Ausländer, Schwule und Lesben. So forderte er, in den Schulen ausländische von deutschen Kindern zu trennen. "Dann greift das Rückführungsprogramm, das sie in ihre Herkunftsländern bringt", ergänzte der BND-Bundesvorsitzende Voigt.

Mehr als 10 000 Menschen beteiligten sich an den ganztägigen Demonstrationen gegen die NPD-Veranstaltung. Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil forderte die Bürger auf, sich "gegen offenen, aber auch gegen verdeckten Faschismus zu stellen", wie er sich gelegentlich an Stammtischen zeige.

© SZ vom 17.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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