Wahlen in Iran:Wächterrat: Neues Parlament wird Islam stärken

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Die ersten Wahlergebnisse in Iran lassen auf einen Sieg der konservativen Kräfte schließen. Nun hat der Wächterrat, Machtinstrument der Mullahs, einen Kurswechsel des Parlaments angekündigt. Man wolle sich künftig "von der religiösen Überzeugung leiten lassen und sich auf die Durchsetzung von Glaube und Moral im öffentlichen Leben konzentrieren".

Der konservativ-religiöse Wächterrat hat nach der Wahl in Iran eine Abkehr des Parlaments von der Reformdiskussion der vergangenen Jahre angekündigt. Nach dem Ausscheiden der meisten Reformer werde das Parlament eine Neuausrichtung vornehmen und sich "künftig auf die Stärkung des Islam, die Lösung der Probleme des Volkes und die Durchsetzung von Glaube und Moral im öffentlichen Leben konzentrieren", teilte das Gremium am Samstag mit.

Nach ersten Auszählungen liegen die konservativen Kandidaten in der Hauptstadt Teheran in Führung. Wie das iranische Innenministerium mitteilte, entfallen auf die Konservativen sieben der bereits 13 vergebenen Sitze. Die reformorientierten Kräfte errangen bislang sechs Mandate.

Reformer: Nur 15 Prozent stehen hinter Konservativen

"Bei freien Wahlen hätten wir eine Mehrheit von 200 Sitzen gewonnen.", sagte Mostafa Tadschsadeh, ein Führungsmitglied der größten Reformerpartei Islamisch-Iranische Beteiligungsfront. Er könne "mit Gewissheit" sagen, dass die Konservativen "lediglich die Unterstützung von 15 Prozent der Gesellschaft" hätten.

Als Grund führte er an, dass landesweit mehr als 2000 reformorientierte Kandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden waren. Daraufhin hatten die Reformkräfte mehrheitlich zum Wahlboykott aufgerufen. Die reformorientierte "Beteiligungsfront" wird von Mohammed Resa Chatami, dem Bruder des iranischen Präsidenten Mohammed Chatami, angeführt.

Wächterrat: Neues Kapitel in der Geschichte des Landes

Über die Wahlbeteiligung in Iran liegen noch keine gesicherten Zahlen vor. Nach amtlichen Schätzungen sind etwa 40 Prozent der Stimmberechtigten zu den Urnen gegangen. Dies ist ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Anteil von 67,2 Prozent vor vier Jahren. Die Reformbewegung hatte sich zwar eine noch geringere Beteiligung erhofft, sah sich aber von dem Trend bestätigt.

Der Wächterrat, ein von religiösen Ultras beherrschten Machtinstrument der Mullahs, wertete die Wahl als "neues Kapitel in der Geschichte des Landes". Das neue Parlament werde sich "von religiöser Überzeugung leiten lassen" und die "nationale Autorität und Sicherheit stärken".

Bindig: Zartes Pflänzchen der Reformen scheint ausgetreten

Die Ankündigung bedeutet eine Abkehr vom Kurs des Parlaments in der abgelaufenen Legislaturperiode. Die reformorientierte Parlamentsmehrheit hatte die Volksvertretung zum Kristallisationspunkt der Diskussion über politische und gesellschaftliche Reformen in dem theokratisch verfassten Staat gemacht.

Der Vorsitzende der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Rudolf Bindig (SPD), fürchtet nach eigenen Angaben eine Ende der Reformpolitik. "Das zarte Pflänzchen der Reformen scheint ausgetreten", sagte er im DeutschlandRadio Berlin. Er bedauere, dass die Reformer uneinheitlich aufgetreten seien und zum Boykott aufgerufen hätten. Dies habe die Bürger verwirrt. Der Bundestag solle aber Kontakte auch zu dem neuen Teheraner Parlament pflegen, um Informationen über das System zu erhalten.

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