Wahlen in Frankreich:Der Weg in die Irre

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Sarkozys UMP hat die erste Runde der französischen Parlamentswahlen klar gewonnen und damit die Krise der Sozialisten verschärft: Warum die französische Linke ein Trauma hat - und warum sie sofort mit der Erneuerung beginnen muss.

Ein Kommentar von Gerd Kröncke, Paris

Der Chronik vom Abstieg der französischen Linken ist ein weiteres Kapitel hinzugefügt worden. Die klare Niederlage bei den Parlamentswahlen am Sonntag hatte sich abgezeichnet, seit Nicolas Sarkozy mit seinem fulminanten Sieg vom 6. Mai den Élysée-Palast erobert hatte.

Der erste Durchgang der Parlamentswahl ist gleichsam der dritte Wahlgang zur Präsidentschaft. Es liegt in der Logik der Fünften Republik, dass das Volk dem neugewählten Präsidenten eine handlungsfähige Mehrheit in der Nationalversammlung zubilligt. Das Gegenteil wäre zwar möglich, aber getraut hat es sich das noch nie. Das Dilemma ist, dass keine Sicherung eingebaut ist, die der Opposition ermöglichte, parlamentarische Gegenmacht zu entfalten.

Nach der Verfassung ist es die Regierung, die die "Politik der Nation bestimmt und ausführt", und es ist der Premierminister, der sich gegenüber dem Parlament zu verantworten hat, also nicht der Präsident. Aber Sarkozy wird alle Fäden in der Hand behalten und in François Fillon hat er einen Vollstrecker gefunden, der ihm zu Diensten ist.

Sarkozys Drang zur Macht ist so dominierend, dass er schon erwägt, künftig selbst regelmäßig vor das Parlament zu treten. So hat sich das der Gründer der Fünften Republik, der große Charles de Gaulle, nicht gedacht. Die Vorstellung, dass der General sich in den politischen Grabenkrieg eingemischt hätte, wäre abwegig gewesen. Der Machtmensch Sarkozy, unfähig zu teilen, würde am liebsten auch noch die Opposition ernennen.

Deshalb hat er gleich linke Politiker in seine Regierung geholt, womit er Angriffe der Sozialisten erst einmal entschärft. Auf der Rechten droht ihm ohnehin keine Gefahr. Eines allerdings muss man dem neuen Präsidenten zubilligen: Er hat den rechtsradikalen Dämon Jean-Marie Le Pen mit den Mitteln der Demokratie ausgetrieben.

Schweres Trauma

Die Ursache für die Niederlage der Opposition ist auch in der Mentalität der Linken zu suchen. Ihr Weg in die Irre ist nicht erst 2007 eingeschlagen worden. Die Sünde derer, die sich in Frankreich als progressiv verstehen, datiert fünf Jahre früher, als weite Teile der linken Wählerschaft ihren Verstand vor dem Wahllokal ließen und für alle möglichen Parteien jenseits der Sozialisten stimmten.

Die Verzettelung führte 2002 dazu, dass Le Pen in die Stichwahl kam und, um ihn zu verhindern, die verzweifelte Linke geschlossen für Jacques Chirac stimmen musste. Von diesem Trauma haben sich die Sozialisten nicht erholt. Selbst die Euphorie, die Ségolène Royal entfacht hat, konnte sie nicht mit sich selbst versöhnen.

Die Linke, die seit der Volksfront vor sieben Jahrzehnten nie eine sichere Mehrheit hatte, hat seit den historischen Siegen von François Mitterrand, also seit zwanzig Jahren, keine Präsidentschaftswahl mehr gewonnen. Zudem profitiert nach dem französischen Wahlsystem der Sieger überproportional.

Nicht nur, dass die Präsidentenwahl zu einem Sog zu seinen Gunsten führt; das Mehrheitswahlrecht bringt es auch mit sich, dass selbst starke Minderheiten nur mit lächerlich wenigen Mandaten oder gar nicht in der Nationalversammlung vertreten sind. Der neue Präsident hat angekündigt, ein Element von Verhältniswahlrecht einzuführen; mehr als Kosmetik ist nicht zu erwarten. Sarkozy ist nicht der Mann, der auf ein Stück Macht verzichten würde.

Fast hat man den Eindruck, dass der Präsident, gerade gewählt, schon jetzt seine Wiederwahl im Auge hat. Die Opposition, wenn sie denn ihrer Aufgabe endlich gewachsen sein will, muss ihrerseits ab sofort mit der eigenen Erneuerung beginnen, selbst wenn das zunächst Machtkampf bedeutet.

Ségolène Royal hat ihren Führungsanspruch angemeldet. Dabei darf eine Oppositionsführerin die Konfrontation mit der Regierung im Parlament nicht scheuen. So gesehen ist es kein gutes Vorzeichen, dass die prominenteste Politikerin des Landes nicht selbst für das Parlament kandidiert hat.

© SZ vom 11.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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