Wahl in Italien:Schlacht ohne Entscheidung

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Auch Stunden nach Schließung der Wahllokale steht noch kein Sieger fest. Doch egal, wer gewinnt: Die Parlamentswahl in Italien zeigt, wie tief das Land gespalten ist.

Stefan Ulrich

Italien hat gewählt, aber offenbar nicht klar entschieden. Den Hochrechnungen vom späten Montagabend zufolge waren alle Konstellationen möglich: ein Sieg von Premier Silvio Berlusconi, ein Sieg von Herausforderer Romano Prodi, ein ganz neues Bündnis ohne die beiden - aber auch ein Patt im Parlament mit der Folge von Neuwahlen. Das Regieren dürfte in jedem Fall sehr schwierig werden. Zumal Berlusconi seinem Nachfolger, und sei es sich selbst, eine gewaltige Erblast hinterlassen hat. Das Land ist zerstritten und demoralisiert wie selten zuvor in den Zeiten der Nachkriegs-Republik. Dabei geht es nicht nur um Staatsfinanzen und Wirtschaft, die sich in einem prekären Zustand befinden. Es geht um mehr: Eine neue Regierung müsste Italien auch politisch und moralisch erneuern, um die Wunden zu heilen, die der Berlusconismus geschlagen hat.

Wirtschaftlich muss das künftige Kabinett all die liberalen Reformen bei Steuern, Arbeitsmarkt und Sozialabgaben angehen, die die Rechte versprach, aber bislang nicht leistete. Politisch hätte es den verlorenen Grundkonsens der Demokraten wieder herzustellen. Unter Berlusconi, der seine Gegner entweder als Linksradikale oder als deren Marionetten beschimpfte, wäre das nicht zu leisten. Prodi hat demgegenüber versprochen, den Moderaten im rechten Lager die Hand zu reichen. Vielleicht finden sich ja tatsächlich verantwortungsbewusste Christdemokraten und Konservative, die die Ära Berlusconi endlich beenden wollen.

Die schwierigste Aufgabe einer neuen Regierung dürfte es sein, die Moral im Lande zu heben. Schließlich wirkte zuletzt eine Koalition, die sich hemmungslos versündigte, indem sie Gesetze zum Privatwohl des Premiers fabrizierte. Bis in die letzten Tage des Wahlkampfs predigte Berlusconi den Bürgern: Freie Fahrt dem Eigennutz. Seine haltlosen Steuersenkungs-Versprechen, deren Erfüllung den Staat ruinieren würden, zielten darauf, in der Wahlkabine den Egoismus über den Gemeinsinn triumphieren zu lassen. Falls diese Rechnung aufging, muss Europa um die Zukunft seines Gründungsmitglieds bangen.

Prodi bot dem Show-Politiker Paroli

Prodi aber verdient in jedem Fall Respekt. Er hat dem charismatischen Show-Politiker Berlusconi mit Nüchternheit, Seriosität und Beharrlichkeit Paroli geboten. Dabei war seine Ausgangsposition ungünstig. Er fand eine fragmentierte Linke vor, deren geltungssüchtige Parteichefs ihm das Leben schwer machten. Seine Versuche, eine große Reformpartei zu bilden, wurden sabotiert. Viele andere hätten sich entmutigen lassen - Prodi hielt dagegen und ließ sich per Vorwahl vom Volk zum Führer der Linken küren. So gestärkt konnte er der Wahlschlacht standhalten, die Berlusconi entfesselt hatte.

Die Italiener haben gewählt, aber ihrem Land damit nicht weitergeholfen. Der aggressive Wahlkampf der vergangenen Wochen könnte nun in ein noch hässlicheres Machtgerangel ausarten. Dann wäre jedenfalls eines sicher: Italien hat die Wahl verloren.

© SZ vom 11.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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