Wahl in Frankreich:Bambi und der böse Wolf

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Die größte Wahrscheinlichkeit spricht für ein Duell zwischen Bambi Royal und dem bösen Wolf Sarkozy bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag - doch könnte es auch diesmal zu bösen Überraschungen kommen.

Gerd Kröncke, Paris

Bald ist das Warten in Stunden zu messen, bevor die Franzosen ihren ersten Durchgang zur Präsidentenwahl zelebrieren. Vieles ist möglich und fast nichts ist ausgeschlossen im Kampf um die Nachfolge von Jacques Chirac.

Doch die wahrscheinlichste Konstellation, wenn am Sonntagabend um acht Uhr das Ergebnis auf die Bildschirme flackert, ist aus heutiger Sicht die klassische Paarung Rechts gegen Links: In der Stichwahl werden sich finden der Bürgerliche Nicolas Sarkozy gegen die Sozialistin Ségolène Royal.

Alle Meinungsumfragen, mit denen es seit Donnerstag ein Ende hat, sprachen dafür, und alles andere wäre eine Sensation. Sensationen aber sind nach diesem ermüdenden Wahlkampf ohne große Themen durchaus möglich, auch wenn es hinterher viele schon immer gewusst haben wollen.

Vor fünf Jahren, hatte es noch mehr Kandidaten gegeben, aber auch jetzt sind mit einem Dutzend Bewerbern so viele an den Start gegangen, dass einzelne Rand-Kandidaten das Ergebnis kippen können. Dass die Franzosen sich den Luxus leisten, drei Trotzkisten antreten zu lassen, wäre anderswo in Europa undenkbar.

Eine Veteranin unter ihnen kandidiert nun zum sechsten und letzten Mal. Ihre Popularität hat sich inzwischen auf einen jungen Menschen von 33 Jahren übertragen, einen Postboten, der, wie es sich für einen Trotzkisten gehört, demnächst wieder Briefe austragen wird in Neuilly, der Hochburg von Nicolas Sarkozy. Er kann ein Ergebnis von vier Prozent erreichen.

Luxus der Unernsthaftigkeit

Man könnte dies alles abtun als Arabeske, man könnte aber auch zu der Meinung kommen, dass sie spinnen, die Franzosen, zumindest partiell, und dass sie sich dem Luxus der Unernsthaftigkeit hingeben. Im Kampf um das höchste Amt im Staate mischt auch ein Rechtsradikaler mit, Jean-Marie Le Pen, der vielleicht kein Nazi ist, dafür gibt es zu wenig Belege.

Aber der, unbelehrbar trotz seiner fast 79 Jahre, auf eine Weise "Arbeit, Familie und Vaterland" propagiert wie vor ihm nur der Marschall Pétain, jener Mann, der mit den Deutschen kollaborierte und sich deren Propagandawerte zu eigen machte.

Le Pen hat sein öffentlich vorgetragenes Weltbild leicht entschärft, seine klügere Tochter hat den Alten geleitet, so dass er im Laufe der Zeit entdiabolisiert wurde. Aber die Angriffe auf Nicolas Sarkozy in der letzten Phase des Wahlkampfs zeigen wieder ganz den alten Le Pen. Für ihn ist der Star der bürgerlichen Rechten irgendwie kein Franzose, jedenfalls keiner, der sich um das höchste Amt des Staates bewerben sollte.

Sarkozy sei eigentlich Ungar, zumindest der Sohn eines Ungarn. Er, Le Pen, käme nie auf den Gedanken, sich um die ungarische Präsidentschaft zu bewerben. In der letzten Phase hat Le Pen noch privat Infames nachgelegt: Wieso sich denn keiner für Madame Sarkozy interessiere? Wo doch von allen Dächern mancherlei gepfiffen werde.

Das alles wäre zu vernachlässigen, wenn nicht die Stimmung am Ende dieses Wahlkampfes so fragil wäre. Nichts ist gelaufen. Sarkozy, der auf der Rechten mit Le Pen konkurriert, hat seine Wahlaussagen verschärft. Niemand, der die Republik nicht liebt, sei gezwungen, hier zu bleiben, jeder könne sich ein anderes Land suchen. Er findet es normal, sagt der bürgerliche Kandidat, die Wähler von Le Pen zu umwerben, man müsse sie heimholen.

Verneigung vor der rechten Wählerschaft

So lief Sarkozy hinter Le Pen her, während die sozialistische Kandidatin versuchte, Sarkozy zu übertrumpfen. Ihr unvergessener Vorstoß, junge Straftäter in militärischer Umgebung zu rehabilitieren, war eine Verneigung vor der rechten Wählerschaft. Bei Madame Royal tritt an die Stelle der Reflektion ihr Instinkt, von dem sie sich oft verführen lässt.

Das hatte gereicht, sich gegen die Männer in der Partei durchzusetzen, was ihre große Leistung bleibt. Sie wäre die erste Frau an der Spitze des Staates. Doch im Grabenkampf der Politik, wenn es darum geht, eigene Ideen nicht nur in die Welt zu setzen sondern auch mit Argumenten zu unterfüttern, zeigt sie Schwächen, für die sie von den Wählern bestraft werden könnte.

Die könnten sich zum Beispiel dem Mann der Mitte, François Bayrou, zuwenden. Der muss zwar auf die Unterstützung seines alten Idols Valéry Giscard d'Estaing verzichten, nachdem sich der Ex-Präsident für Sarkozy ausgesprochen hat. Aber der Zuspruch des alten Herrn ist nicht der größte denkbare Bonus. Giscard war es schließlich, der für den europäischen Verfassungsvertrag stand, der bei den Franzosen mit großem Getöse durchgefallen ist.

Nach dem Desaster der Meinungsforscher, den Schwächen, die sie vor fünf Jahren offenbart haben, ist Vorsicht bei allen Vorhersagen für den ersten Wahlgang geboten. Gewiss, die größte Wahrscheinlichkeit spricht für ein Duell zwischen Bambi Royal und dem bösen Wolf Sarkozy. Er wird versuchen, Bambi wegzubeißen.

Nur wenn Bayrou in die Endausscheidung kommt, wird das Rennen noch einmal ganz offen sein. Sollte aber erneut Le Pen aufrücken, dann wird er anschließend zwar gegen wen auch immer ausscheiden, aber die Republik würde in ihre größte Krise stürzen. Möge der Wähler das verhindern.

© SZ vom 20.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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