Vorurteile:Feindbild Flüchtling

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Jeder Zweite blickt laut einer Studie mit Ablehnung auf Asylsuchende. Auch Antisemitismus ist in der Gesellschaft weiter virulent. Vor allem Wähler einer bestimmten Partei äußern gerne rechtsextreme Einstellungen.

Von Anna Reuß, Berlin

Gerade unter jüngeren Deutschen zwischen 16 und 30 Jahren nimmt die Verharmlosung des Nationalsozialismus zu. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Verlorene Mitte, feindselige Zustände" der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, die am Donnerstag vorgestellt wurde. Der sogenannte klassische Antisemitismus bleibe zwar "auf niedrigem Niveau stabil", wie es in der Studie heißt, so kommunizierten sechs Prozent der Befragten offen judenfeindliche Aussagen. Der indirekte, israelbezogene Antisemitismus in der Gesellschaft ist hingegen deutlicher ausgeprägt: Jeder vierte Befragte äußere entsprechende Ansichten, "man kritisiert Israel mit antisemitischen Ressentiments", sagte Andreas Zick, einer der Autoren der Studie.

Auch die Abwertung von Asylsuchenden sei weit verbreitet. Jeder zweite Befragte habe negativen Aussagen über diese Gruppe zugestimmt, ein Anstieg im Vergleich zur letzten Erhebung der Forscher im Jahr 2016, obwohl die Zahl der Asylsuchenden seither rückläufig war. Die Forscher befragten für ihre Studie insgesamt 1890 nach ihrer Aussage repräsentativ ausgewählte deutsche Staatsbürger per Telefon; Nichtdeutsche wurden nicht befragt.

Zwar habe sich die Mehrheit der Befragten positiv zur Demokratie geäußert - 86 Prozent sahen diese Regierungsform als unerlässlich an, fast genau so viele fanden es gut, wenn sich Menschen gegen Hetze einsetzen würden. Mehr Menschen als früher antworteten auf Fragen zu politischen Einstellungen mit "teils, teils" statt mit Ja oder Nein - daraus schließen die Macher der Studie, dass die Polarisierung abnimmt. Der Titel der Studie beziehe sich deshalb auf die Frage, ob die "ausgleichende Mitte" der Gesellschaft im politischen Kurs verloren geht, sagte Zick.

Dies sei kein neues Phänomen. Rechtspopulistische Einstellungen hätten seit 2014 nicht mehr zugenommen. Auffällig sind Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern: Im Osten teilten 30 Prozent, im Westen 20 Prozent diese Einstellungen. Dahinter stehe das Narrativ der korrupten Eliten gegen ein moralisch integres Volk. Auch die Ablehnung von vermeintlichen Fremden sei im Osten stärker ausgeprägt. Zudem stellen die Autoren eine Korrelation zwischen rechtsextremen, rechtspopulistischen und sogenannten neurechten Einstellungen fest. Wer einem dieser Konzepte zustimme, der stimme auch eher den anderen zu. Die Studie zufolge äußern Wähler der AfD häufiger rechtsextreme Einstellungen als die Wähler anderer Parteien.

© SZ vom 26.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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