Vortrag:Steinmeier fordert Mut zur Demokratie

Bei der Willy-Brandt-Rede in Lübeck greift Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Worte von SPD-Größen auf. Er spricht vom Aufbruch damals und den Widerständen, Zumutungen und Konflikten heute.

Von Peter Burghardt, Lübeck

Wenn man im Willy-Brandt-Haus in Lübeck weiterverbunden wird, gibt es dieses schöne Lied in der Warteschleife. "Als Willy Brandt Bundeskanzler war, hatte Vati noch volles Haar", singt der Sänger Funny van Dannen, "war Ute Lemper noch kein Star." Brandt wurde 1913 in Lübeck geboren und war 1969 bis 1974 Kanzler, seit Jahren lässt das Willy-Brandt-Haus der Willy-Brandt-Stiftung einen Ehrengast eine Willy-Brandt-Rede halten. Diesmal kam am Dienstagnachmittag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Das klang in diesen für die Genossen traurigen Wochen nach besonderer Nostalgie und Symbolik. Steinmeier ist ja auch SPD-Mitglied, wenn auch derzeit überparteilich unterwegs.

Was war es für ein Vortrag, zwei Tage nach dem nächsten Debakel der Sozialdemokraten? Der Staatschef begann nicht mit Willy Brandt, sondern mit Gustav Heinemann, einem von Steinmeiers Vorgängern: "Überall müssen Autorität und Tradition sich die Frage nach ihrer Rechtfertigung gefallen lassen." Der Satz stammt aus Heinemanns Antrittsrede 1969, auch schon fast 50 Jahre her. Steinmeier sprach dann von 1968, von Brandts Aufruf, "mehr Demokratie wagen". Es ging um den Aufbruch damals, den Widerstand heute. "Unsere Demokratie ist auch 2018 mit keiner Ewigkeitsgarantie versehen", warnte Steinmeier, der Mahner. Die Gegensätze seien schroffer, "die Mauern höher, der Ton schärfer geworden. Wir spüren erneut: Gerade die offene, die liberale Gesellschaft steckt voller Widersprüche, voller Konflikte, voller Zumutungen. Sie muss das aushalten und aushandeln können." Und Steinmeier sagte in Brandts Sinne dies: "Die Demokratie ist die Staatsform der Mutigen."

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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