Vor Wahl in Hessen:SPD-Politiker fordern Clements Parteiaustritt

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Wolfgang Clement verärgert erneut seine eigene Partei: Der ehemalige Minister kritisierte die SPD-Spitzenkandidatin in Hessen wegen ihrer Energiepolitik - und riet davon ab, sie zu wählen. Die SPD fordert nun seinen Parteiaustritt.

Der frühere SPD-Vize und ehemalige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat mit Blick auf die Energiepläne der hessischen SPD vor einer Wahl der Sozialdemokraten gewarnt - und damit einen Eklat ausgelöst. SPD-Kollegen fordern ihn zum Austritt aus der Partei auf.

Wolfgang Clement meldet sich erneut zu Wort - zum Missfallen der SPD. (Foto: Foto: AP)

Die Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti habe in einem Interview gesagt, sie wolle in Hessen weder Atomkraftwerke noch neue große Kohlekraftwerke, schrieb Clement in einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag". Das gehe nur um den Preis der industriellen Substanz Hessens - "und weil Frau Ypsilanti vermutlich darüber hinaus denkt - des ganzen Deutschland". Alternativen zu Atom- und Kohlestrom seien gegenwärtig nur Gas, das überwiegend aus Russland komme, oder Atomstrom aus dem Ausland.

Ypsilantis Pläne hätten daher eine Erhöhung der Abhängigkeit vom Ausland und unberechenbare Risiken weiterer Kostensteigerungen zur Folge. ,,Deshalb wäge und wähle genau, wer Verantwortung für das Land zu vergeben hat, wem er sie anvertrauen kann - und wem nicht'', schrieb Clement.

Nach der Abwahl der rot-grünen Bundesregierung im Herbst 2005 war Clement aus der Politik ausgeschieden. Seit 2006 gehört er dem Aufsichtsrat der RWE-Kraftwerkstochter RWE Power AG an.

In der SPD wurden seine Wortmeldungen zuletzt mit Unverständnis registriert. So hatte Clement in einem Interview mit sueddeutsche.de indirekt mit dem Parteiaustritt im Fall einer Annäherung der SPD an die Linkspartei gedroht.

In jüngsten Umfragen hat die hessische SPD zur regierenden CDU aufgeschlossen und liegt nur noch einen Punkt hinter ihr. Im direkten Vergleich der Spitzenkandidaten hat Ypsilanti den CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch deutlich überholt. In Hessen wird am 27. Januar ein neuer Landtag gewählt.

Der Bundestagsabgeordnete und Umweltpolitiker Scheer forderte unterdessen den Parteiaustritt von Clement. Scheer sagte, der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen sei inzwischen "Lobbyist für den Energiekonzern RWE (...) und die Kritik am hessischen SPD-Programm seinem neuen Arbeitgeber schuldig".

"Wolfgang Clement missbraucht seine frühere Rolle in der SPD, indem er diese nun als bezahlter Lobbyist in klingende Münze umsetzt'', sagte Scheer. Er habe sich nach dessen Attacken mit Ypsilanti ausgetauscht. "Dass der RWE-Mann Clement sich nun in den hessischen Landtagswahlkampf unverhohlen zugunsten von Herrn Koch einmischt, fällt charakterlich nur noch auf ihn selbst zurück.''

Dies sei aber nicht überraschend, denn schließlich gehe es in Hessen um das von der SPD unterstützte Abschalten der RWE gehörenden Atomreaktoren Biblis A und B, während Herr Koch die Laufzeiten der Atomreaktoren verlängern wolle. "Wenn Clement noch einen Rest- Charakter hat, sollte er den von ihm schon selbst in Aussicht gestellten Parteiaustritt vollziehen."

Die richtige Alternative zu Atomenergie und Kohlekraftwerke sei der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien und dezentraler Kraft- Wärme-Kopplung auf kommunaler Ebene, sagte Scheer. Dies entspreche dem Bundesparteitagsbeschluss vom Oktober 2007 in Hamburg, der auf Antrag der hessischen SPD zustande gekommen sei.

Völlig abwegig sei die Behauptung Clements, ausgerechnet der Ausbau erneuerbarer Energien vergrößere die Energie-Abhängigkeit Deutschlands. "Wenn es ihm wirklich um die niedrigen Strompreise für die Industrie ginge, dann müsste er als erstes gegen die Preistreiberei seines neuen Arbeitgebers RWE Stellung nehmen", sagte Scheer.

Auch die Jusos verlangten den Austritt Clements aus der SPD und forderten notfalls einen Rauswurf. "Das Maß der Illoyalität Clements gegenüber seiner eigenen Partei ist mehr als unglaublich", sagte die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel am Abend bei einer Klausurtagung der SPD-Jugendorganisation in der Nähe von Kassel. Offenbar habe sich der Ex-Minister zwischen Atomlobby und SPD klar gegen die Sozialdemokratie entschieden. "Das kann nur heißen: Er muss seiner eigenen Ankündigung von Dezember nachkommen und aus der SPD austreten. Anderenfalls kann man ihm diesen Schritt auch abnehmen."

Der hessische Grünen-Chef Tarek al-Wazir sagte: "Schlimm genug, wenn sich sozialdemokratische Politiker nach dem Ende ihrer Amtszeit von der Energiewirtschaft kaufen lassen. Selten hat es einer so deutlich gezeigt wie Wolfgang Clement."

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