Vor Koalitionsrunde:Struck: Mindestlohn soll Wahlkampfthema werden

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Wenige Stunden vor Beginn der Koalitions-Spitzenrunde erwarten führende SPD-Politiker und Kanzlerin Merkel einen Kompromiss beim Mindestlohn. Doch endgültig vom Tisch ist das Streitthema damit wohl nicht.

Führende SPD-Politiker erwarten einen Kompromiss beim Mindestlohn, wollen ihn aber dennoch zum Wahlkampfthema machen: SPD-Fraktionschef Peter Struck wertete es als großen Erfolg der SPD, dass die Union sich bereit erklärt habe, in speziellen Branchen über das Entsendegesetz Mindestgehälter festzulegen, wie es sie beim Bau und bei den Gebäudereinigern gibt.

Für Branchen, in denen es keine Flächentarifverträge gebe, werde es am Abend bei der Sitzung des Koalitionsausschusses aber voraussichtlich keine Einigung geben, sagte Struck der Bild-Zeitung. Struck kündigte an, die SPD-Forderung nach einheitlichen gesetzlichen Mindestlöhnen zum Wahlkampfthema 2009 zu machen.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil betonte, die Union habe sich beim Mindestlohn auf die SPD zubewegt. "Ich glaube, dass da eine Chance ist", sagte er im ZDF. "Wir brauchen branchenspezifische Lösungen, (...) wir brauchen aber auch eine gesetzliche Lösung, wo Tarifverträge nicht mehr gelten", sagte Struck. Die SPD werde da Druck machen.

Der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend sagte im RBB-Inforadio, Tarifverträge in einzelnen Branchen könnten für allgemeinverbindlich erklärt werden. "Da glaube ich können wir mit der Union auf einen Nenner kommen."

"Es muss nicht der Staat entscheiden"

Für Branchen, in denen es keine großen Tarifverträge gibt, wünscht sich die SPD laut Wend anders als die CDU/CSU weiterhin eine gesetzliche Untergrenze. "Da muss man sehen, ob wir zueinander kommen, einfach mit vernünftigen und pragmatischen Lösungen", sagte er. "Aber ausblenden können wir diese Bereiche sicherlich nicht."

SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles zeigte sich erfreut, dass nach entsprechenden Signalen aus der Union eine Ausweitung des Entsendegesetzes auf bestimmte Branchen erreicht werden könne. "Das ist die Stufe eins", sagte sie im Deutschlandfunk.

Dies reiche jedoch nicht aus. Es sei noch fraglich, inwieweit der Regierungspartner bereit sei, ein Minimaleinkommen zu definieren, sagte die designierte Vize-Parteichefin.

Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) deutete eine Lösung in der Kernstreitfrage an, auf welchem Weg Mindestgehälter festgelegt werden sollen. Die Union sperrt sich dagegen, dass der Staat in die Lohnfindung eingreift. "Es muss nicht der Staat entscheiden", sagte Vizekanzler Müntefering in der ARD.

"Das können die Tarifparteien machen, das können Kommissionen machen. Wenn das der Punkt ist, an dem es hakt, da kann man sich verständigen."

Wenige Stunden vor Beginn der Spitzenrunde der Koalition äußerte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorsichtig optimistisch über mögliche Fortschritte. "Wir werden uns um einen Kompromiss bemühen", sagte Merkel zum Streitthema Mindestlohn.

Mindestlohn, Pflegeversicherung, Briefmonopol

Die Union werde alles tun, um Einigungsspielräume mit den Sozialdemokraten auszuloten. Gleichzeitig versicherte die Kanzlerin jedoch, es bleibe bei der "roten Linie" der Union, dass es keinen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn mit ihr geben werde.

Der Chef des CDU-Sozialflügels, Karl-Josef Laumann, und zuletzt auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger hatten sich offen gezeigt für Branchenlösungen beim Mindestlohn und ein Verbot sittenwidriger Dumpinglöhne.

In der Koalitionsrunde bahnt sich laut der Nachrichtenagentur dpa zudem eine Einigung bei Einkommenszuschüssen für Niedriglohn-Bezieher an, wie das Handelsblatt aus Koalitionskreisen erfuhr. Demnach würden Aufstockungsbeträge für Monatslöhne zwischen 800 und 1300 Euro aus der Arbeitslosenkasse statt dem Steuertopf bezahlt.

Zugleich würden die Aufstockungsbeträge für niedrigere Löhne reduziert. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer kritisierte es im Sender N-TV jedoch, somit "die Unternehmer zu subventionieren - das wäre es ja indirekt -, die sich dagegen sträuben, den Menschen das zu zahlen, was sie einfach brauchen".

Auch bei der Reform der Pflegeversicherung sollte es nach den Worten von Kanzlerin Merkel gelingen, einen Schritt voran zu kommen. Es müsse möglich sein, etwas für die Menschen zu tun, die die Republik aufgebaut hätten, nun aber alt und schwach seien.

Die Spitzen der großen Koalition beraten am Abend im Kanzleramt unter anderem über die Einführung eines Mindestlohns, die Reform der Pflegeversicherung und das Auslaufen des Briefmonopols der Post.

© AFP/AP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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