Vor der Wahl im Bundestag:Schröder wirbt für Kanzlerin Merkel

Lesezeit: 2 min

Führende SPD-Politiker haben vor der Wahl von Angela Merkel zur ersten deutschen Bundeskanzlerin in den eigenen Reihen für ein möglichst geschlossenes Abstimmungsverhalten geworben. Auch der aus dem Amt scheidende Kanzler Gerhard Schröder bat die SPD-Fraktion, Merkel zu wählen. Er selbst werde dies tun. Merkel warb am Montag bei den SPD-Abgeordneten um Vertrauen. Zum neuen Unionsfraktionschef bestimmten CDU und CSU Volker Kauder. Die SPD-Fraktion führt jetzt der bisherige Verteidigungsminister Peter Struck. Neuer Kultur-Staatsminister wird Bremens CDU-Chef Bernd Neumann.

Nico Fried

Deutschland erlebt an diesem Dienstag voraussichtlich einen historischen Tag. Erstmals soll eine Frau zur Kanzlerin gewählt werden, erstmals auch soll eine Politikerin aus dem Osten Deutschland regieren. Eine Mehrheit für die CDU-Vorsitzende Merkel gilt als sicher, weil SPD und Union gemeinsam über 140 Mandate mehr verfügen als erforderlich.

Der scheidende Kanzler G. Schröder will für A. Merkel stimmen (Foto: Foto: ddp)

Dennoch wird das Ergebnis mit Spannung erwartet, weil es erste Aufschlüsse über die Geschlossenheit der Koalition und das Vertrauen vor allem der SPD-Abgeordneten geben wird. Merkel trat am Montag erstmals in der SPD-Fraktion auf. In einer zehnminütigen Rede betonte sie nach Angaben von Teilnehmern die Chancen der Kooperation und zeigte sich offen für Anliegen der Sozialdemokraten in der künftigen politischen Arbeit.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte nach seiner Wahl: "Angela Merkel kann sich auf ihre Bundestagsfraktion hundertprozentig verlassen, nicht nur morgen, sondern auch die nächsten vier Jahre." Mit Blick auf die Wahl Merkels zeigte er sich sicher: "Das wird ausgezeichnet gehen." Fraktionsvize Wolfgang Bosbach warnte: "Ein holperiger Start wäre nicht nur ein Problem für die Union und für Angela Merkel. Es wäre ein Problem für die Koalition und es kommt auf jede Stimme an."

Keine Rechnungen begleichen

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte, er habe noch von keinem SPD-Abgeordneten gehört, "dass er mit Nein stimmen will". Der SPD-Parteitag habe die Koalition mit CDU und CSU mit überwältigender Mehrheit gebilligt. Er erwarte daher bei der Wahl Merkels eine "große Geschlossenheit".

Fraktionsvize Ludwig Stiegler erklärte, alle Beteiligten wollten einen guten Start der großen Koalition. Er ermahnte die Abgeordneten, dass es keinen Sinn mache, "dass man schon beim Start patzt". Auch das zum linken Flügel zählende SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen versicherte, die SPD werde keine "kleinen Rechnungen begleichen". Er spielte damit auf das schlechte Abstimmungsergebnis für Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) an, den viele Unionsabgeordnete nicht gewählt hatten.

Bundespräsident Horst Köhler schuf am Montag die Voraussetzung für Wahl und Ernennung Merkels zur Regierungschefin der großen Koalition und Nachfolgerin von Schröder. Das Staatsoberhaupt schlug die 51-Jährige für die Wahl zur Kanzlerin vor, nachdem Union und SPD vorige Woche den Koalitionsvertrag unterzeichnet hatten. Das Grundgesetz schreibt vor, dass die Wahl des Regierungschefs im ersten Wahlgang nur auf Vorschlag des Bundespräsidenten möglich ist. Schröder kündigte in der SPD-Fraktion an, dass er am Mittwoch sein Bundestagsmandat niederlegt.

Kauder und Struck gewählt

Weil Merkel ins Kanzleramt und Franz Müntefering als Vizekanzler ins Arbeitsministerium wechseln, bestimmten die Fraktionen von Union und SPD neue Vorsitzende. Volker Kauder und Peter Struck erhielten in ihren Fraktionen klare Mehrheiten.

Für Kauder stimmten 196 Unionsabgeordnete, 14 votierten mit Nein, vier enthielten sich. Das entspricht 93,3 Prozent. Kauder wird Nachfolger Merkels an der Fraktionsspitze. Der 56-Jährige Baden-Württemberger war erst zu Jahresbeginn als Nachfolger von Laurenz Meyer zum CDU-Generalsekretär gewählt worden. Nachfolger Kauders im Amt des CDU-Generalsekretärs soll der bisherige Fraktionsvize Ronald Pofalla (CDU) werden.

Peter Ramsauer wurde mit 93,2 Prozent zum Nachfolger von Michael Glos zum Chef der CSU-Landesgruppe gewählt. Glos wird Wirtschaftsminister. Für Ramsauer stimmten 41 CSU-Abgeordnete, gegen ihn drei. Struck erhielt 189 von 201 gültigen Stimmen (94 Prozent). Zehn Abgeordnete votierten mit Nein, zwei enthielten sich. Struck, zuletzt Verteidigungsminister der rot-grünen Bundesregierung, war schon einmal zwischen 1998 und 2002 Chef der SPD-Fraktion.

Nach dpa-Informationen will Merkel Bremens CDU-Chef Bernd Neumann als Nachfolger der parteilosen Christina Weiss zum Kultur-Staatsminister berufen.

© SZ vom 22.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: