Vor der Vertrauensfrage im Bundestag:Gute Miene zum bösen Spiel

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Bundeskanzler Gerhard Schröder bemüht sich so gut es geht, einen weiteren Konflikt mit Bundespräsident Horst Köhler zu vermeiden. Und das alles nur, weil Köhler nicht im richtigen Moment ans Telefon ging.

Von Nico Fried

Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sagte, das Verhältnis von Schröder und Köhler sei frei von Misstrauen und "geprägt vom gegenseitigen Respekt und der Achtung sowohl vor der jeweiligen Person als auch vor dem jeweiligen Amt".

Köhler hatte sich vor einigen Tagen irritiert gezeigt, dass er von dem Vorhaben, eine Bundestags-Neuwahl anzustreben, erst informiert wurde, nachdem SPD-Chef Franz Müntefering dies bereits öffentlich gemacht hatte.

Köhler selbst kündigte an, er wolle sich im Gespräch mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden ein Bild davon machen, ob der Wunsch nach einer Neuwahl in allen politischen Lagern Unterstützung finde.

"Ich kann gar nicht anders"

Mit Blick auf die Kriterien für seine Entscheidung, nach einer gescheiterten Vertrauensfrage von Bundeskanzler Schröder den Bundestag aufzulösen, sagte Köhler der Zeitung Die Zeit:

"Das Bundesverfassungsgericht sagt: Die Einmütigkeit der im Bundestag vertretenen Parteien, zu Neuwahlen zu gelangen, ist ein Hinweis - unter anderen." Er fügte allerdings hinzu, er werde seine Prüfung unabhängig vornehmen, wie es die Verfassung vorschreibe. "Ich kann gar nicht anders."

Köhler kündigte zudem an, Gespräche "mit Experten von außen" zu führen. Auf die Frage, ob dies noch vor dem 1. Juli geschehen solle, dem Tag, an dem Schröder die Vertrauensfrage stellen will, antwortete Köhler: "Ich werde vor dem 1. Juli Gespräche zur grundsätzlichen Problematik führen."

Die Bundesregierung bemüht sich derweil, dem Eindruck entgegenzuwirken, das Verhältnis zwischen Schröder und Köhler sei belastet. Steg nahm am Mittwoch noch einmal ausführlich Stellung zu den Vorgängen am 22. Mai, dem Abend der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.

20 Uhr, 18 Uhr oder doch 18.25 Uhr?

Demnach sei es für den Bundeskanzler von vornherein "selbstverständlich" gewesen, den Bundespräsidenten zu unterrichten, bevor er selbst um 20 Uhr Stellung nehmen wollte. Das Gespräch sollte aber erst nach 18 Uhr auf der Grundlage der ersten Hochrechnungen stattfinden.

Steg war um den Eindruck bemüht, dass Müntefering dem Kanzler mit seiner Erklärung gegen 18.25 Uhr nicht wirklich zuvorgekommen sei. Der SPD-Chef habe lediglich darauf abgezielt, "allgemein die politische Absicht zu erklären, den Weg für Neuwahlen zu eröffnen".

Der Kanzler habe nach 18 Uhr versucht, Köhler zu erreichen, was nicht gelungen sei. Köhler sei dann über eine dritte Person informiert worden und habe daraufhin den Kanzler angerufen. Wann genau dieses Gespräch stattgefunden habe, sagte Steg nicht. Es sei aber vor der Erklärung Schröders gewesen.

In verschiedenen Medienberichten war davon die Rede gewesen, das Bundespresseamt habe die Version verbreitet, Schröder habe bereits um 17.30 Uhr mit Köhler telefoniert. Steg sagte, "die Quelle für diese Meldung" sei nicht nachvollziehbar. Den Vorwurf, die Regierung habe eine Lüge verbreitet, wies er zurück.

© SZ vom 2.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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