Vor den Beratungen über eine Regierungsbeteiligung:Scharon brüskiert die Arbeitspartei

Lesezeit: 2 min

Israels Premier will offenbar auch zwei ultra-orthodoxe Parteien in sein Kabinett aufnehmen. Der Chef der bislang mitregierenden Schinui-Fraktion drohte daraufhin mit dem Austritt aus der Regierung.

Von Thorsten Schmitz

Tel Aviv - Die Absicht von Israels Premierminister Ariel Scharon, offenbar auch zwei ultra-orthodoxe Parteien mit in die Koalition aufzunehmen, hat am Dienstag Mitglieder der Arbeitspartei sowie die mitregierende Schinui-Fraktion verärgert. Der Rundfunk berichtete, Mitglieder der Arbeitspartei hätten wenige Stunden vor Beginn der Beratungen der Parteispitze über die offizielle Aufnahme von Koalitionsverhandlungen von einem Zusammenschluss mit dem rechten Likud abgeraten. Bislang hatte sich die Arbeitspartei als einzige Kandidatin für eine Regierungsbeteiligung betrachtet, nachdem Scharon durch die Entlassung zweier Minister die Mehrheit im Parlament verloren hatte.

Scharon sucht nun seine Regierung zu stärken, um Mehrheiten im Parlament sowohl für die Abstimmung über den Haushalt 2005 im Herbst als auch für den geplanten Rückzug aus dem Gaza-Streifen zu bekommen. Auch der Fraktionschef der strikt säkularen Schinui-Partei, Tommy Lapid, drohte am Dienstag mit einem Auszug aus der Regierung, sollte Scharon die ultra-orthodoxen Parteien in die Koalition aufnehmen. Die ultra-orthodoxen Parteien wiederum würden eigenen Angaben zufolge nur dann der Koalition beitreten, wenn die antireligiöse Schinui austräte.

USA sehen Chancen für Palästinenser-Staat schwinden

Israelische Medien hatten berichtet, dass Scharon sowohl bei der Schas-Partei als auch bei der Partei "Vereinigtes Thora-Judentum" nachgefragt habe, ob diese Interesse an einer Regierungsbeteiligung hätten. Bereits am Donnerstag werde Scharon mit dem Chef der Schas-Partei, Eli Jischai, zusammentreffen. Zwar würde Scharon bei einer Koalition mit der Arbeitspartei über eine bequeme Mehrheit von 80 Abgeordneten im 120-köpfigen Parlament verfügen. Allerdings bestünde seine Koalition dann ausschließlich aus weltlichen Parteien, was die Religiösen in Israels Gesellschaft vor den Kopf stoßen würde.

Der Versuch, die beiden ultra-orthodoxen Parteien einzubinden, könnte aber auch als Warnung an die Arbeitspartei verstanden werden, keine überzogenen Forderungen bei der Vergabe der Ministerposten zu stellen. Dem Vernehmen nach verlangt die Arbeitspartei bis zu acht Ministerposten, darunter das Außenministerium. Der derzeitige Außenminister Silvan Schalom ist aber nicht bereit, sein Amt an Schimon Peres abzugeben. Scharon könnte Schalom zwar entlassen, würde damit aber eine Rebellion in seiner Likud-Partei auslösen.

Die USA sehen offenbar die Chancen für die Schaffung eines Palästinenserstaates bis 2005 schwinden. Im Friedensfahrplan des Nahost-Quartetts, dem die USA, Russland, die EU und die UN angehören, wird ein palästinensischer Staat für 2005 in Aussicht gestellt. US-Außenamtssprecher Richard Boucher sagte, Grund für die Verzögerung seien die anhaltende Gewalt und die Unfähigkeit der Autonomiebehörde, die Angriffe palästinensischer Terroristen auf Israelis zu stoppen. Die israelische Armee tötete am Dienstag nach Angaben des Rundfunks ein führendes Mitglied des Islamischen Dschihad in Dschenin.

© SZ vom 14.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: