Vor dem EU-Verfassungsgipfel:Die Großen stimmen sich ab

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Kurz vor dem entscheidenden Gipfel zur europäischen Verfassung wollen Bundeskanzler Schröder, der britische Premier Blair und der französische Präsident Chirac noch einmal nach Kompromissmöglichkeiten bei der Machtverteilung in der EU suchen.

Wie Regierungssprecher Béla Anda in Berlin erklärte, sei die Abstimmung unter den großen EU-Mitgliedstaaten wichtig, weil der Gipfel "ein Erfolg werden soll".

Das Frühstückstreffen am Freitag bedeute aber nicht, dass große und kleine EU-Mitgliedstaaten gegeneinander stünden.

Vielmehr soll es darum gehen, nochmals nach Kompromissmöglichkeiten zu suchen, um ein Scheitern des auf zwei Tage angesetzten Ringens um die Macht in der erweiterten EU zu verhindern. Die italienische EU-Präsidentschaft hatte sich ebenfalls um Kompromisse bemüht, aber heftige Kritik aus Spanien und eine schroffe Absage Londons an die Abschwächung der Veto-Regeln eingehandelt.

Wegen schwerwiegender Streitpunkte wird in EU-Kreisen nicht ausgeschlossen, dass die angestrebte Einigung auf die EU-Verfassung scheitern könnte. Anda wiederholte, dass Schröder als "skeptischer Optimist" nach Brüssel reise.

Einen festen Abreisetermin nannte er trotz der ebenfalls in der Endphase stehenden Verhandlungen im Vermittlungsausschuss nicht. Es sei realistisch, den Samstag als vollen Arbeitstag einzuplanen, sagte der Regierungssprecher.

Ob zusätzlich eine halbe oder eine ganze Nacht benötigt werde, könne nicht vorhergesagt werden. Der Bundeskanzler packe genügend Hemden ein, "um immer ein frisches dabei zu haben".

Der Luxemburger Ministerpräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit optimistisch, dass eine Einigung möglich sei.

Hinsichtlich des besonders umstrittenen Abstimmungsmodus für Ratsentscheidungen sagte er: "Wir werden wahrscheinlich einen Kompromiss auf der Zeitachse finden. Beispielsweise könnten die neuen Stimmgewichte erst ab 2014 gelten." Es werde höchste Zeit, die Verfassung zu Ende zu bringen, mahnte er.

Was die Stimmengewichtung bei Mehrheitsentscheidungen angeht, bestehen Deutschland und Frankreich auf der Umsetzung der im Konventsentwurf vorgesehenen doppelten Mehrheit, die die Bevölkerungszahl der Mitgliedstaaten stärker berücksichtigt.

Polen und Spanien wollen in dieser Frage an dem umstrittenen Vertrag von Nizza festhalten, der ihnen gemessen an ihrer Bevölkerungszahl Vorteile einräumt. Besonders Polen versucht, Großbritannien in dem Streit auf seine Seite zu ziehen. Blair hat sich bislang dazu nicht eindeutig geäußert.

Schröder trifft Kwasniewski in Berlin

Schröder trifft sich einen Tag vor dem Gipfel, am Donnerstag, mit dem polnischen Präsidenten Alexander Kwasniewski in Berlin. Im Bundestag gibt Außenminister Joschka Fischer zuvor eine Regierungserklärung zum Europäischen Rat ab.

Die Unionsfraktion hat eine namentliche Abstimmung zum Streitpunkt des Gottesbezuges in der Präambel der EU-Verfassung beantragt. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, bezeichnete das als den Versuch, den Islam und die Türkei kulturell aus Europa herauszuhalten.

Die Union lehnt die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ab. Eine Entscheidung darüber will die EU Ende nächsten Jahres fällen.

Die EU-Kommissare für Haushalt und Erweiterung, Michaele Schreyer und Günter Verheugen, nahmen am Mittwoch an der Kabinettssitzung in Berlin teil. Beide hätten die Bundesregierung über ihre Zuständigkeitsbereiche informiert, wie es seit 2001 regelmäßig geschehe, sagte Anda.

(sueddeutsche.de/AP)

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