Volksparteien:Wem man noch traut

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Eine Allensbach-Umfrage offenbart eine steigende Unzufriedenheit mit Union und SPD. Auch das Vertrauen in die Reformfähigkeit der beiden Regierungsparteien hat gelitten. Jeder zweite Befragte glaubt, dass sie mehr versprechen, als sie halten können.

Von Stefan Braun, Berlin

Sind die deutschen Volksparteien noch zu retten? Oder werden sie wie in anderen Staaten der Europäischen Union erst schwächeln und dann verschwinden? Diese Frage stellt sich spätestens seit der Bundestagswahl 2017; schon bald danach hatten Union und SPD in den regelmäßigen Umfragen zusammen keine Mehrheit mehr. In Berlin regieren sie noch als sogenannte große Koalition; tatsächlich aber würde es seit anderthalb Jahren zusammen nicht mehr für ein Bündnis reichen. Wo endet das alles?

Vergleicht man die Lage mit Frankreich oder Italien, dann ist Deutschland zwar - noch - ein Hort politischer Stabilität. Die Mehrheit der Deutschen, so zeigt eine aktuelle Erhebung, will Volksparteien nicht abschaffen, sondern behalten. Allerdings zeigt die Umfrage zur Situation der großen Parteien in Deutschland zugleich auch, wie brüchig ihre Lage geworden ist.

Beginnt man mit dem Positiven, dann lässt sich eines feststellen: Werden Wähler mit der Frage konfrontiert, ob die "Großen" hierzulande wie die Sozialisten in Frankreich oder die Konservativen in Italiens tatsächlich verschwinden sollten, dann halten viele erst mal dagegen und warnen vor den Konsequenzen. Laut der Studie des Instituts Allensbach, die der SZ vorliegt, sorgt sich eine große Mehrheit von fast 75 Prozent darum, dass mit schwächelnden Volksparteien eine Regierungsbildung immer schwerer werde. 65 Prozent fürchten, dass Parteien für eine Koalition immer mehr Kompromisse machen müssten. Fast ebenso viele sagen als Konsequenz voraus, dass größere Reformen dann kaum noch durchgesetzt werden könnten.

Zu dieser durchaus positiven Grundeinschätzung gegenüber Volksparteien passt, dass fast 50 Prozent der Befragten sich auch für die Zukunft ein Parteiensystem mit einigen wenigen großen Parteien wünschen. Und 64 Prozent der in der Studie Befragten halten es nach wie vor für besser und attraktiver, wenn sich eine Partei nicht um die Interessen einer einzelnen gesellschaftlichen Gruppe kümmert, sondern die ganze Gesellschaft im Blick hat.

Ähnlich hoch ist entsprechend auch die Zahl derer, die selbst eher Parteien wählen wollen, die für alle Gruppen der Gesellschaft Antworten auf ihre wichtigsten Fragen anbieten. Das also klingt alles nicht schlecht, sondern nach einem eigentlich guten politischen Nährboden. Deshalb würde es Union und SPD sicher gut gefallen, wenn die Untersuchung an dieser Stelle enden würde. Das aber tut sie nicht. Und was sich in der zweiten Hälfte der Umfrage zeigt, wird Christ- wie Sozialdemokraten Sorgen bereiten. Denn die gleichen Menschen, die Volksparteien im Grundsatz gut finden, sagen den deutschen Volksparteien nichts Gutes voraus.

Gefragt, ob die Zeit für Union und SPD vorbei sei oder ob die beiden noch einmal zu alter Stärke zurückkehren könnten, antworteten fast 54 Prozent der Befragten, sie rechneten nicht mehr mit einer solchen Erholung. Eng mit dieser Aussage ist eine zweite verbunden, die ähnlich gefährlich aussieht. Auf die Frage, ob es ihnen wichtig sei, bei Wahlen eine große Partei zu wählen, antworten heute knapp 56 Prozent, dass ihnen das mehr und mehr egal ist. Man will unbedingt beim Sieger sein? Dieses Bedürfnis ist offenbar längst nicht mehr so stark wie vor ein, zwei Jahrzehnten.

Was also ist los? Warum bröckelt da was? Auch darauf hat das Institut Allensbach im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung Antworten gesucht. Zu dem Zweck wurden den Befragten Attribute und Eigenschaften vorgelegt, bei denen sie prüfen sollten, ob diese aus ihrer Sicht auf CDU/CSU oder SPD zutreffen. Dieser Teil der Umfrage ist für beide nicht gut ausgegangen.

Nur 3,8 Prozent der Befragten glauben, mit der CDU gehe es wieder aufwärts

Eine deutliche Mehrheit spricht der Union zwar zu, dass sie eine "große, mitgliederstarke und bedeutende Partei" sei. Aber dann folgen Aussagen, die ihr wehtun müssen. Mehr als die Hälfte der Befragten bestätigt die Einschätzung, dass die Union Politiker in ihren Reihen hat, die "ausgesprochen unsympathisch" sind (53,3); gut die Hälfte der von Allensbach interviewten Frauen und Männer stimmt dem Satz zu, dass die Union oft "an den Sorgen und Wünschen der Bevölkerung vorbeiredet" (51); und kaum weniger erklären, dass sie "vieles verspricht, was sie nicht halten kann" (49,2).

Nun wirkt schon das wenig schmeichelhaft für die Christdemokraten. Noch gravierender aber sind die Resultate, wenn es um Fragen wie Zukunft, Optimismus und Vertrauen geht. Gerade mal 17 Prozent verbinden mit der CDU Politiker, denen man vertrauen kann; nur elf Prozent sind der Meinung, die CDU habe Konzepte, mit denen es den Menschen in Deutschland auf Dauer gut geht; nicht mal zehn Prozent verbinden mit ihr Optimismus; und genau 3,8 Prozent meinen, dass es mit dieser Partei aufwärts gehe. Ernüchternder könnte eine Studie für die Partei, die 20 Jahre von Angela Merkel geführt wurde, kaum ausfallen.

Bei der SPD ist die Lage sehr ähnlich. Mehr als 50 Prozent schreiben ihr zu, dass sie "vieles verspricht, was sie nicht halten kann"; knapp die Hälfte der Befragten, nämlich 45 Prozent, kommen zu dem Schluss, dass sie "keine klare Linie" verfolge. Bemerkenswert auch, dass ihr nur noch knapp 13 Prozent zuschreiben, in ihren Reihen gebe es Politiker, denen man vertrauen könne. Gerade zehn Prozent verbinden mit ihr Zuversicht und Optimismus - und genau sechs Prozent glauben, dass es mit dieser Partei wieder aufwärtsgehe.

Für die Studie wurden knapp 1200 Menschen repräsentativ befragt. Sie zeigt, wie tief die Zweifel sitzen. Und sie belegt, dass selbst die Union sich nicht mehr sicher sein kann, die aktuelle Krise am Ende doch wieder zu überleben.

© SZ vom 28.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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