Visa-Ausschuss:Spannung vor Fischers Aussage

Lesezeit: 2 min

Für den Bundesaußenminister ist es der Tag der Wahrheit: Zum ersten Mal muss er heute vor dem Visa-Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagen. Der ganztägige Zeugenauftritt Fischers wird live im Fernsehen übertragen.

Der Grünen-Politiker hat zwar die politische Verantwortung für die Missstände an den deutschen Botschaften in Osteuropa übernommen, sich aber noch nie konkret zu Hintergründen und Details geäußert.

Der Vorsitzende des Visa-Ausschusses, Hans Peter Uhl (CSU), rechnet schon vor der ersten Aussage Fischers im Untersuchungsausschuss mit weiteren Vernehmungen des Außenministers. Als Grund nannte Uhl im SWR die umfangreiche Aktenlage.

"Zeichen von Nervosität"

Jerzy Montag, Ob-Mann der Grünen im Ausschuss wies dies zurück und nannte es "ein deutliches Zeichen der Nervosität und auch Angst vor dem Auftritt von Joschka Fischer". Die CDU/CSU wolle von Fischer wissen, wie es zu den Visa-Erlassen von 1999 und 2000 gekommen sei, wann er von den Missständen erfahren und was er dagegen unternommen habe, sagte der Unions-Obmann in dem Gremium, Eckart von Klaeden, am Wochenende.

"Außenminister Fischer kann sich jetzt aus der Verantwortung für den Visa-Missbrauch nicht mehr stehlen. Das werden wir in der Befragung am Montag deutlich machen."Bereits Ludger Volmer habe mit seinen Aussagen die Opposition schlecht aussehen lassen, meinte Montag.

Auf offener Bühne und laufenden Fernsehbildern habe Uhl erklärt, ihm sei es völlig "wurscht" von wem der inkriminierte Satz von der Reisefreiheit in den so genannten Volmer-Erlass gekommen sei. Diese Aussage sei "ein Fiasko" für die Union, die genau diesen Satz zu einem Hauptangriffspunkt gegen Fischer habe machen wollen.

Keine verlässlichen Zahlen

Uhl wiederholte am Wochenende die Vorwürfe, dass die rot-grüne Bundesregierung für den Visums-Missbrauch, unter anderem durch Schwarzarbeiter aus der Ukraine, den Nährboden geschaffen habe. Er räumte aber ein, dass es keine verlässlichen Zahlen darüber gebe, wie hoch die Zahl der nach Deutschland eingereisten mutmaßlichen Schwarzarbeiter tatsächlich gewesen sein könnte.

Kurz vor dem Auftritt tauchten neue Zweifel an der bisherigen Verteidigungslinie Fischers auf. Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hatte das Auswärtige Amt den so genannten Volmer-Erlass im Frühjahr 2002 in einem entscheidenden Punkt für die Botschaft in Kiew aufgehoben, um die Prüfung von Visa-Anträgen wieder zu ermöglichen.

Es kam damit einer Forderung der Vertretung nach, die darum ersucht hatte, Berlin möge seine "autoritative Auslegung" der Anordnung für Kiew zurücknehmen. Das Blatt wertete den Vorgang als Beleg dafür, dass die Auffassung von Fischer und seiner Partei, der Volmer-Erlass vom 3. März 2000 sei nicht ursächlich für den Visa-Missbrauch gewesen, nicht haltbar sei.

Die Anordnung, der die Konsularbeamten an, "im Zweifel für die Reisefreiheit" zu entscheiden, gilt als Auslöser für die Affäre um vermutete massenhafte Schleusung von Schwarzarbeitern und Zwangsprostituierten.

Auf der Beliebtheitsskala nach unten gerutscht

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte, der Außenminister im Ausschuss werde deutlich machen: "Was sind die Leitlinien einer modernen Visa-Politik?" Fischer werde auch berichten, wie es zum Visa-Missbrauch in der Ukraine kommen konnte und wie dieser abgestellt worden sei.

Auf der Beliebtheitsskala deutscher Politiker ist Fischer im Zug der Affäre abgestürzt. Seit Januar sei sein Zustimmungswert um 20 Prozentpunkte auf 54 Prozent gefallen, berichtete der Spiegel unter Berufung auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes TNS Infratest.

Dies sei der tiefste Stand seit Fischers Amtsantritt 1998. Beliebtester Politiker ist der Umfrage zufolge nun Bundespräsident Horst Köhler mit 72 Prozent Zustimmung. Danach folgten Fischer mit 54 Prozent und nahezu gleichauf Angela Merkel mit 53 Prozent. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) liegt mit 52 Prozent knapp hinter der CDU-Chefin.

© SZ vom 25.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: