Verwaltungsrat der BA:Einfache Mehrheit kann Gerster kippen

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Florian Gersters Schicksal hängt vom Votum des Verwaltungsrats seiner Bundesagentur für Arbeit (BA) ab. Die Mitglieder dieses Aufsichtsgremiums kommen an diesem Samstag um halb ein Uhr mittags zu einer Sondersitzung in Nürnberg zusammen.

Von Robert Jacobi

Einziger Punkt der Tagesordnung: "Bewertung des Berichts der Innenrevision über Beraterverträge der BA". Mindestens drei Verträge beanstanden die Prüfer, weil rechtswidrig auf eine Ausschreibung verzichtet wurde.

Gerster will seine letzte Chance nutzen und mit den beiden Vorstandskollegen Heinrich Alt und Frank-Jürgen Weise die Aufseher überzeugen, dass er trotz wochenlanger Aufregung noch der richtige Mann am richtigen Platz ist.

Ein Rücktritt vor der Sitzung galt am Freitag als unwahrscheinlich - nicht zuletzt, weil der Vorstandschef in diesem Fall seinen Rechtsanspruch auf eine Abfindung verlieren würde.

Laut Gesetz haben die drei Vorstandsmitglieder nicht nur das Recht, an Sitzungen des Rats teilzunehmen, sondern dürfen auch "jederzeit das Wort ergreifen".

Der Verwaltungsrat setzt sich aus jeweils sieben Vertretern von Arbeitgebern, Gewerkschaften und der öffentlichen Hand zusammen.

Seine Aufgaben wurden nach dem Vermittlungsskandal vor zwei Jahren und zu Jahresbeginn im Rahmen der Hartz-Reformen erweitert.

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) macht es sich allerdings zu einfach, wenn er nun ständig auf die Rolle des Verwaltungsrats hinweist: Bewusst wollte die Regierung das letzte Wort bei der Bestellung und Abberufung des Vorstands behalten.

Der vierte Absatz ist entscheidend

"Der Verwaltungsrat überwacht den Vorstand und die Verwaltung", heißt es im ersten Absatz von Paragraf 373 des Dritten Sozialgesetzbuchs. "Er kann vom Vorstand die Durchführung von Prüfungen durch die Innenrevision verlangen".

Entscheidend werden könnte der vierte Absatz: "Ist der Verwaltungsrat der Auffassung, dass der Vorstand seine Pflichten verletzt hat, kann er die Angelegenheit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit vortragen."

Über diesen Schritt soll das Gremium am Samstag entscheiden. Stellt eine einfache Mehrheit eine solche Pflichtverletzung fest, hätten Clement und Bundeskanzler Gerhard Schröder keine andere Wahl: Sie müssten Gerster entlassen.

Schmackhafter Kandidat gesucht

Als Stellvertreter würde Weise dann wohl kommissarisch die Geschäfte führen. Auch wenn Schröder und Clement einen Favoriten für die Nachfolge haben, müssen sie die Form wahren:

Offiziell hat der Verwaltungsrat das Recht, einen Nachfolger für Gerster vorzuschlagen, muss aber von der Bundesregierung dazu aufgefordert werden. Inoffiziell bedeutet das:

Die Regierung braucht einen Kandidaten, den sie Arbeitgebern genauso wie Gewerkschaften und Unionsvertretern im Gremium schmackhaft machen kann.

Der Verwaltungsrat hat vier Wochen Zeit, sich auf einen Kandidaten zu verständigen. Gelingt das nicht, "erlischt das Vorschlagsrecht", wie es in Paragraf 382 des Dritten Sozialgesetzbuchs heißt - die Bundesregierung darf dann ihr "Letztentscheidungsrecht" nutzen.

Lehnt sie einen Vorschlag des Verwaltungsrats ab, bekommt das Gremium vier weitere Wochen, um nach Ersatz zu fahnden.

Die Ernennung von Gersters Nachfolger wäre eine der letzten Amtshandlungen von Bundespräsident Johannes Rau.

© SZ vom 24.1. 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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