Verteidigungsallianz:Nato erwägt Wandel zum Welt-Bündnis

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Seit der Auflösung des Warschauer Paktes steckt die Nato in einer Identitätskrise. Nun könnte sie als globale Militärmacht neue Partnerschaften schließen und wieder erstarken.

Martin Winter

Im Ringen um die Rolle der Nato im 21. Jahrhundert wächst bei einigen Mitgliedsländern die Neigung, das Verteidigungsbündnis in eine globale Sicherheitsorganisation zu verwandeln.

Neuausrichtung: Arbeiter rücken das Nato-Emblem in Prag zurecht. (Foto: Foto: Reuters)

Das seit einiger Zeit gestiegene Interesse Japans, Südkoreas, Australiens und Neuseelands an einer Partnerschaft wird als eine Chance für die Allianz gesehen, sich aus ihrer euro-atlantischen Ausrichtung zu lösen.

Nato-Chef Jaap de Hoop Scheffer dringt auf eine "Transformation" und hofft dem Vernehmen nach, vom Gipfel der Allianz Ende November mit der Ausarbeitung einer Grundsatzreform beauftragt zu werden.

Nachdem in den vergangenen Monaten vor allem Amerikaner, Briten und Niederländer intern immer stärker auf eine Neuausrichtung der Nato gesetzt hatten, beschäftigte sich der Nordatlantikrat am 24. Januar zum ersten Mal damit.

In den kommenden Monaten soll das Thema der Ausweitung der Partnerschaftspolitik im globalen Maßstab und die Umwandlung des Bündnisses nach Informationen der Süddeutschen Zeitung von den Verteidigungs- und Außenministern besprochen und dann auf dem Gipfel behandelt werden.

Die Debatte hat nach Auskunft von Diplomaten "Fahrt aufgenommen". Parallel zu den internen Beratungen soll der internationale Stab der Allianz in eine Serie intensiver Gespräche mit den Außen- und Verteidigungsministerien der vier pazifischen Staaten eintreten, wobei nicht nur Informationen ausgetauscht, sondern auch Möglichkeiten und Grad einer Kooperation ausgelotet werden sollen.

Frankreich lehnt Vorstoß ab

Über das mögliche Ergebnis hat die amerikanische Nato-Botschafterin Victoria Nuland schon einige Vorstellungen.

Bei einer internen Veranstaltung der Nato-Schule in Oberammergau plädierte sie kürzlich für eine feste Verbindung mit diesen Ländern durch ein permanentes Gremium, wie Teilnehmer berichteten.

Offiziell heißt es zwar, dass dies "nur die persönliche Meinung" der Diplomatin sei. Doch es ist kein Geheimnis, dass die USA schon lange darüber nachdenken, wie sie die Nato in ihre internationale Sicherheitspolitik eingliedern können.

In einer Rede im September hatte Nuland eine enge politische und militärische Zusammenarbeit mit Australien und Japan gefordert. Kurz darauf ließen die Niederländer in Nato-Kreisen ein "Denkpapier" dazu zirkulieren.

Anfang Dezember traf sich der südkoreanische Außenminister Ban Ki-moon mit dem Nordatlantikrat und trug den Wunsch Seouls zu einer engeren Zusammenarbeit mit Brüssel vor.

Im Januar reiste der stellvertretende japanische Außenminister ebenfalls zu Gesprächen ins Nato-Hauptquartier. Der neuseeländische Verteidigungsminister Phil Goff wird am heutigen Freitag zu Gesprächen erwartet.

Unsichere Weltlage

Wie von Diplomaten zu erfahren war, soll die anvisierte Zusammenarbeit zwischen dem Bündnis und Australien in Afghanistan der Beginn einer dauerhaften Beziehung sein, deren Ziel aber nicht die Mitgliedschaft der Länder in der Allianz ist.

Intern wird diskutiert, diese in der Nato "Kontaktländer" genannten Staaten durch Teilnahme an militärischen Einsätzen der Allianz an sich zu binden. Das Interesse der Länder, heißt es in Brüssel, sei es, in einer unsicheren Weltlage zusätzliche Absicherungen zu haben.

Den globalen Anspruch einer Nato, die sich auch mit den Sicherheitsproblemen im "Mittleren Osten, Irak, Nordkorea, China, Iran" (Nuland) beschäftigt, verfolgt ebenfalls der Generalsekretär des Bündnisses, de Hoop Scheffer.

Er spricht bevorzugt von einer "Transformation" der Allianz und lässt keinen Zweifel daran, dass er Einsätze wie in Afghanistan, Pakistan oder Darfur von der Ausnahme zur Regel machen will.

In Brüssel wird erwartet, dass der Nato-Chef sich auf der am heutigen Freitag in München beginnenden Sicherheitskonferenz über ein neues Konzept für eine Partnerschaftspolitik äußert.

Wie viele Mitgliedsländer in die Richtung einer globalen Sicherheitsorganisation denken, ist gegenwärtig schwer abzuschätzen.

Frankreich allerdings hat intern bereits angedeutet, dass es eine Umwandlung des euroatlantischen Bündnisses, dessen Kern die gegenseitige Beistandsgarantie seiner Mitglieder ist, in eine weltweit operierende Militärmacht nicht mitmachen werde.

© SZ vom 3.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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