Versprechen:Viel Schall, kein Rauch

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Am Abend der Debatte ließen die Kanzlerin und ihr Herausforderer Sympathie für eine Stärkung der Verbraucherrechte erkennen. Mit dem Gesetz für Sammelklagen wird es aber so schnell nichts.

Von Cerstin Gammelin

Am Sonntagabend hatten es Angela Merkel und Martin Schulz besonders eilig, die Sache mit den Sammelklagen abzuräumen. Sie habe im Grunde genommen nichts gegen Sammelklagen, hatte die Kanzlerin den Vorwurf des Herausforderers beim TV-Duell pariert, das entsprechende Gesetz zu blockieren und damit geschädigte Diesel-Käufer hinzuhalten. Allerdings sei der bisherige Vorschlag von Justizminister Heiko Maas (SPD) zu bürokratisch. Einem Modell, wie es bisher im Bereich der Telekommunikation praktiziert wird, würde sie aber zustimmen. Schulz verkündete sofort, er werde sie beim Wort nehmen und umgehend Maas anrufen, um genau das zu ermöglichen. Gleich am nächsten Morgen, also am Montag. Oder, besser noch, er werde Maas direkt ansprechen, noch am selben Abend im TV-Studio, wo die Parteifreunde versammelt waren. Es hörte sich so an, als könnte das Gesetz, auf das geschädigte Diesel-Kunden warten, jetzt ganz schnell kommen.

Einen halben Tag später ist die Euphorie verflogen. Im Bundesjustizministerium wissen zuständige Mitarbeiter nichts von einem Anruf des Kandidaten beim Minister. Martin Schulz selbst ist anderweitig beschäftigt. Er ist in die niederbayerische Provinz nach Abensberg gereist, wo er sich beim Gillamoos-Volksfest ein Rededuell mit anderen Kandidaten liefert. Und Merkel? Sie lässt Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilen, dass die regierungsinterne Abstimmung des Gesetzes zur - wie es bürokratisch exakt heißt - Musterfeststellungsklage noch nicht abgeschlossen sei. "Ob sie noch einmal Schwung bekommt, kann ich nicht sagen." Immerhin: Am Nachmittag lässt Schulz mitteilen, dass er Maas treffen wird. Dass die SPD-Politiker das Klagerecht noch bis zur Wahl durchbringen, gilt aber als ausgeschlossen.

Die Union hat die Gesetzentwürfe des Justizministers blockiert. Der ist schließlich von der SPD

Das Versprechen vom Vorabend, Verbraucherrechte zu stärken, es ist keine 24 Stunden später also abgeräumt. Und nicht nur das: Auch Merkels Hinweis, man könne ja so verfahren wie bei den Klagen gegen die Telekom, gleicht einer Luftblase.

Das sogenannte Musterverfahren für Kapitalanleger ist deutlich bürokratischer als das von Maas vorbereitete Gesetz für Sammelklagen, das Merkel als zu bürokratisch ablehnt. Zudem ist es für geringe Entschädigungssummen ungeeignet, weil jeder einzelne Verbraucher beim jeweiligen Landesgericht klagen muss. Die Landesgerichte fassen die Klagen zusammen und geben sie an das Oberlandesgericht. Das entscheidet in einem Musterverfahren; die Landesgerichte entscheiden danach über die Einzelklagen, was Jahre dauert. Der spektakulärste Fall, die Klage der Telekom-Anleger, ist bis heute nicht entschieden.

Bei der von Maas geplanten Musterfeststellungsklage bündeln dagegen Verbände die Klagen. Sie werden in ein Zentralregister eingetragen und verhandelt. Das Gesetz wird von der Union blockiert. Es ist faktisch ausgeschlossen, dass es bis zur Wahl verabschiedet wird.

© SZ vom 05.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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