Verkehr in Deutschland:Das Risiko der späten Jahre

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Betagte Autofahrer verursachen immer wieder spektakuläre Unfälle. Psychologen raten, den Führerschein rechtzeitig abzugeben.

Von Marion Zellner

Niemand ist gerne alt - und Altsein ist in Deutschland ein Reizthema. Vor allem dann, wenn es ums Autofahren geht. Denn auf der Straße tritt der Generationenkonflikt offen zu Tage: Die einen wollen ihren Führerschein nicht abgeben, nur weil sie schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts das Autofahren gelernt haben. Die anderen würden am liebsten alle jenseits der Pensionsgrenze in den Öffentlichen Nahverkehr verbannen. Sie sehen in den Senioren eine Gefahr für die Allgemeinheit - vor allem dann, wenn Senioren spektakuläre Unfälle mit dramatischen Folgen verursachen - wie jüngst der 80-Jährige, der auf der Autobahn A8 bei München wendete und dadurch drei Menschen und sich selbst den Tod brachte.

Betrachtet man die Unfallzahlen des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2003, verunglückten Verkehrsteilnehmer, die älter als 65 Jahre sind, seltener als junge. So starben im vergangenen Jahr 1329 Senioren, 10 350 wurden schwer, 28 450 leicht verletzt. Bezogen auf 100 000 Einwohner liegt damit ihr Anteil bei 9,2 Prozent. Zum Vergleich: Bei den Jungen zwischen 18 und 24 Jahren beträgt der Anteil knapp 21 Prozent.

Noch ältere Autofahrer treten statistisch gesehen noch seltener in Erscheinung. Ein Grund dafür ist allerdings, dass sie weniger Auto fahren, kürzere Strecken zurücklegen, vor allem tagsüber und bei gutem Wetter in den Wagen steigen. "Mit diesem Verhalten und ihrer langjährigen Erfahrung kompensieren Senioren ihre altersbedingten Defizite", so Maria Limbourg, Professorin an der Uni Essen. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass jeder Mensch im Laufe seines Lebens körperlich wie geistig abbaut. Die Folgen: Man sieht schlechter, die Motorik ist eingeschränkt, die Reaktionsfähigkeit lässt nach, man ist nicht mehr so belastbar.

Diese Veränderungen spiegeln sich auch in den typischen Senioren-Unfällen wider. So missachten ältere Autofahrer häufig die Vorfahrt und machen vorwiegend Fehler beim Abbiegen, gefolgt von zu dichtem Auffahren. Und sie sind bei einem Großteil der Unfälle mit Personenschaden, an denen sie beteiligt sind, die Hauptverursacher: Der Anteil der 70- bis 75-jährigen Autofahrer liegt bei 65,5 Prozent, die noch Betagteren sind sogar in 75,9 Prozent der Fälle Verursacher von Unfällen, in denen Menschen verletzt werden.

75 als "magische Altersgrenze"

"75 Jahre ist eine magische Altersgrenze", so Maria Limbourg. "Tempo 30 als Stadtgeschwindigkeit wäre als Leistungstempo für ältere Autofahrer angemessen", fügt sie hinzu. Deshalb wird immer wieder über Gesundheitschecks für Senioren diskutiert. Allerdings wagt sich in Deutschland bei diesem Thema niemand nach vorne.

Andere Länder sind da weniger zimperlich. In Italien etwa muss der Führerschein alle fünf Jahre verlängert werden, und das bereits ab 50. Wer 70 Jahre und älter ist, muss sogar alle drei Jahre verlängern lassen. Um den Führerschein behalten zu können, ist ein Check mit Seh- und Reaktionstests beim Arzt fällig. "Wer die Untersuchung nicht besteht, muss dort seinen Führerschein abgeben", so Dieter Vogt, Verkehrsjurist beim Automobilclub von Deutschland.

Die eigene Leistungsfähigkeit regelmäßig überprüfen zu lassen, hält Maria Limbourg "für sinnvoll". Bis zum Jahr 2050 wird etwa ein Drittel der Deutschen älter als 60 Jahre sein - und sie werden eigene Autos besitzen, vor allem die Frauen. So zeigt eine aktuelle Shell-Studie, dass bis zum Jahr 2030 um 82 Prozent mehr 60- bis 64-jährige Frauen hinterm eigenen Lenkrad sitzen werden als noch heute. "Senioren müssen lernen, sich selbst zu schützen. Etwa durch den rechtzeitigen Ausstieg vom aktiven Autofahren," ergänzt Limbourg.

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