Verheerende Anschlagsbilanz:Mindestens 500 Tote im Nordirak

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Am Tag nach den verheerenden Terroranschlägen im Nordirak ist die Zahl der Todesopfer noch einmal dramatisch gestiegen. Das Blutbad löste in Bagdad und auch international Empörung aus.

Immer deutlicher werden die verheerenden Dimensionen der Anschläge im Nordirak. Wie der Korrespondent des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira am Mittwochabend unter Berufung auf Krankenhausärzte berichtete, sind bei dem Attentat auf zwei Dörfer in der Nähe von Mossul 500 Menschen ums Leben gekommen. Der US-Nachrichtensender CNN zitierte örtliche Beamte mit der Zahlenangabe "mindestens 500 Tote".

Terroristen hatten am Dienstagabend vier mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge in den Dörfern Gir Usair und Schiba Scheich Chidr zur Explosion gebracht. Hunderte wurden verletzt. In den beiden betroffenen Dörfern leben Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden.

Dachil Kasim Hassun, der Bürgermeister der Kreisstadt Sindschar, zu der die beiden Dörfer gehören, sagte: "Das ist das größte Massaker in der Geschichte von Sindschar. Die Explosionen haben auf einer Fläche von einem Quadratkilometer alles zerstört." Etwa 60 Leichen wurden am Mittwoch noch unter den Ruinen der zerstörten Häuser vermutet.

"Nichts kann diese wahllose Gewalt rechtfertigen"

Der Polizeichef der Stadt, Scheich Saed Schangari, erklärte: "Wir hatten Geheimdienstinformationen erhalten, dass die Terroristen in Sindschar Anschläge verüben wollten." Daraufhin seien die Sicherheitsmaßnahmen in der Stadt verschärft worden, weshalb die Attentäter ihre Sprengsätze schließlich in den Dörfern südlich von Sindschar zur Explosion gebracht hätten.

Das Blutbad löste in Bagdad und auch international Empörung aus. Der irakische Staatspräsident Dschalal Talabani, ein Kurde, erklärte, dieses "verabscheuungswürdige Verbrechen" sei ein weiterer Beweis dafür, dass der "schwarze Terror" derjenigen, die andere zu Ungläubigen erklärten, niemanden im Irak verschone. Auch der sunnitische Rat der Religionsgelehrten verurteilte den Anschlag. Er machte die "Besatzungstruppen und die Regierung" für den Mangel an Sicherheit verantwortlich und erklärte, hinter der Bombenserie steckten Menschen, die versuchten, "die irakische Landkarte neu zu zeichnen" und die demographischen Verhältnisse zu ändern.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Bombenserie aufs Schärfste. "Nichts kann diese wahllose Gewalt gegen unschuldige Zivilisten rechtfertigen", sagte Ban in einer am Mittwoch im Irak herausgegebenen Erklärung. Er sei über das Ausmaß der Anschläge "schockiert" und spreche den Angehörigen der Opfer sein tiefstes Beileid aus, so Ban. Er appellierte erneut an alle irakischen Führer, unabhängig von ihrer politischen oder religiösen Überzeugung zusammenzuarbeiten, um das Leben der Menschen im Irak zu schützen. Es müsse ein Dialog der nationalen Versöhnung eröffnet werden.

Die US-Regierung verurteilte die Anschläge als "heimtückische und herzlose Morde". Die Attacken zeigten erneut, wie weit Extremisten "zu gehen bereit sind, um den Irak daran zu hindern, ein stabiles und sicheres Land zu werden", zitierten US-Medien die Sprecherin des Weißen Hauses, Dana Perino.

Die Behörden verhängten eine Ausgangssperre rund um den Anschlagsort. Beim Transport von Verletzten halfen US-Soldaten. Ein Teil der Verletzten wurde nach Dohuk an der Grenze zur Türkei gebracht. Sindschar liegt nahe der syrischen Grenze.

Von vielen Muslimen werden die jesidischen Kurden abgelehnt und fälschlicherweise als "Teufelsanbeter" beschimpft. In der Region rund um die Stadt Mossul war es wiederholt zu Spannungen zwischen den Jesiden und sunnitischen Muslimen gekommen.

Unterdessen hat sich der Kommandeur der US-Streitkräfte im Irak, David Petraeus, dafür ausgesprochen, die Truppenstärke im nächsten Jahr zu verringern. Er bereite entsprechende Empfehlungen vor, die er im September dem Kongress vorlegen werde, sagte Petraeus am Mittwochabend in Bagdad. Zur Zeit befinden sich im Irak mehr als 160.000 US-Soldaten, was einen Höchststand bedeutet.

Petraeus wandte sich zugleich gegen Forderungen nach einem schnellen und weitreichenden Abzug. Dies würde die erreichten Fortschritte gefährden, "für die wir so hart gekämpft haben". Dass dies nicht sinnvoll wäre, zeigten auch die jüngsten Anschläge im Nordwesten des Landes.

Auch am Donnerstag geht die Gewalt im Irak ungebrochen weiter: Durch die Explosion einer Autobombe auf einem Parkplatz sind in der Innenstadt von Bagdad neun Menschen ums Leben gekommen. Der Nachrichtensender Al-Arabija berichtete, der Sprengsatz sei neben einem Geschäftszentrum detoniert. 17 weitere Menschen seien verletzt worden.

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