Vergleich:44 Jahre Wiener Melange

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In Deutschland gab es bisher drei Mal die Zusammenarbeit der beiden großen Parteien in einer Koalition. Im Nachbarland hat dies eine ganz andere Tradition.

Von Paul Munzinger

Eine Koalition aus Union und SPD war in Deutschland lange Zeit eine einmalige Sache - so einmalig, dass das von 1966 bis 1969 in Bonn regierende Bündnis den Eigennamen Große Koalition trägt, mit großem G. Bis zur Neuauflage vergingen 36 Jahre, 2005 schlossen sich Schwarz und Rot unter Kanzlerin Angela Merkel wieder zusammen, nun in Berlin und nun als große Koalition, mit kleinem g. Die nächste gab es schon 2013 - und nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen könnte es bald zu einer Fortsetzung kommen. Im neuen Jahr beginnen die Sondierungsgespräche.

Ganz anders in Österreich. Blickt man auf die Geschichte der Zweiten Republik seit 1945 zurück, dann ist die große Koalition die Regel, nicht die Ausnahme. Ein Bündnis aus SPÖ und ÖVP regierte in Wien von 1947 bis 1966, von 1987 bis 2000 und von 2007 bis 2017. Zählt man die Zeit von 1945 bis 1947 hinzu, in denen SPÖ und ÖVP mit der KPÖ ein Dreierbündnis bildeten, arbeiteten die beiden großen Parteien 44 Jahre lang zusammen.

Dazwischen regierte jeweils eine der beiden Parteien mit absoluter Mehrheit oder koalierte mit der FPÖ; von 1970 bis 1971 ließ die SPÖ ihre Minderheitsregierung von den Freiheitlichen tolerieren. Zuletzt aber sanken die Zustimmungswerte beider großen Parteien deutlich, während die FPÖ zulegte und kleinere Parteien wie Grüne und Neos (vorübergehend) ins Parlament einzogen. Als rot-schwarzer Tiefpunkt gilt die Präsidentschaftswahl 2016, als beide Kandidaten in der ersten Runde abgeschlagen ausschieden; in der Stichwahl gewann der Grüne Alexander Van der Bellen gegen Norbert Hofer (FPÖ). Seit vergangener Woche bilden die von Sebastian Kurz runderneuerte ÖVP und die FPÖ die Regierung.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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