Verfolgung der Kriegsverbrecher:Serbiens Koalition der Willigen

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13 Jahre lang war der mutmaßliche Kriegsverbrecher Radovan Karadzic auf der Flucht. Warum Serbiens Führung jetzt den Mut fand, ihn festzunehmen.

Enver Robelli, Pristina

Man kann nur rätseln, welche Andeutung der serbische Präsident Boris Tadic machen wollte, als er kürzlich erklärte, es sei unerträglich, mit der Vorstellung zu leben, dass "mitten unter uns" Massenmörder leben könnten. Nun ist dem Staatschef, der lange als unentschlossen galt, ein Coup gelungen. Mit der Verhaftung von Radovan Karadzic hat Tadic nach Ansicht seiner Anhänger großen Mut bewiesen.

Serbiens Präsident Boris Tadic hat seine Macht gefestigt. (Foto: Foto: dpa)

Der Politiker hat in den vergangenen Monaten seine Macht gefestigt. Im Februar siegte er bei den Präsidentschaftswahlen, im Mai wurde seine Demokratische Partei (DS) stärkste Kraft im serbischen Parlament. Und seit Anfang Juli regiert die DS zusammen mit den Sozialisten des verstorbenen Autokraten Slobodan Milosevic. Diese haben acht Jahre lang auf diese Chance gewartet, deshalb wehren sie sich nicht gegen Karadzics Festnahme.

Solange Tadics Partei mit dem antiwestlichen Premier Vojislav Kostunica regierte, war eine Verhaftung der flüchtigen Kriegsverbrecher unmöglich - der politische Wille fehlte. Das bestätigte auch der frühere französische Geheimdienstgeneral Philippe Rondot, der als Ermittler für die ehemalige Chefanklägerin Carla Del Ponte arbeitete. "Uns fehlte das grüne Licht des früheren Premierministers Kostunica, und wir durften Karadzics Telefone nicht abhören, das waren unsere größten Probleme", sagte Rondot der französischen Zeitung Le Figaro.

Kostunica hat die große politische Bühne verlassen. Und zusammen mit ihm musste auch sein Vertrauter Rade Bulatovic gehen. Als Geheimdienstchef hatte er eine Säuberung der Sicherheitsdienste abgelehnt, deren Macht bisher kein Politiker in Serbien brechen konnte oder wollte.

Seit vergangener Woche leitet Sasa Vukadinovic die Sicherheits- und Informationsagentur (BIA), wie der serbische Geheimdienst heißt. Vukadinovic genießt einen hervorragenden Ruf als Kämpfer gegen die organisierte Kriminalität und steht den Demokraten von Tadic nahe. Serbische Geheimdienstexperten sind überzeugt, dass auch der Wechsel an der Spitze des Geheimdienstes zur Verhaftung Karadzics führte.

Die wichtigste Stütze von Präsident Tadic in der serbischen Justiz ist Vladimir Vukcevic. Der Staatsanwalt für Kriegsverbrechen ist entschlossen, die Übeltäter der internationalen Justiz zu übergeben. Er bezeichnet sie abschätzig als "sogenannte Serben", die das Ansehen des serbischen Volkes besudelt hätten.

Vukcevic ist vermutlich der einzige serbische Justizbeamte, der von der ehemaligen Chefanklägerin Del Ponte öffentlich für seine Arbeit gelobt wurde. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung beklagte sich Vukcevic kürzlich über die mangelnde Unterstützung der Polizei bei der Suche nach den mutmaßlichen Kriegsverbrechern.

Der Staatsanwalt tritt bei Pressekonferenzen oft mit Rasim Ljajic auf, dem Vorsitzenden des Nationalen Rats für die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal. Ljajic war in den vergangenen Tagen der einzige Politiker Serbiens, der nicht die offizielle Linie vertrat, wonach Karadzic und sein Armeechef Ratko Mladic unauffindbar seien. "Wir sagen nicht, dass die drei Haager Angeklagten - Ratko Mladic, Radovan Karadzic und Goran Hadzic - nicht in Serbien sind", so Ljajic gegenüber der Nachrichtenagentur Tanjug.

Für die bosnischen Muslime, die Hauptopfer der Vertreibungskampagne serbischer Truppen waren, ist Rasim Ljajic ein glaubwürdiger Politiker. Der Muslim war nach dem Sturz Milosevics im Herbst 2000 in der Regierung zunächst zuständig für die ethnischen Minderheiten, später wurde er Minister für Menschen- und Minderheitenrechte. Nun leitet er das Sozialministerium. Doch ganz prominent hat Ljajic vor allem seine Rolle als Chef des Rates für die Zusammenarbeit mit der UN-Justiz gemacht.

© SZ vom 24.7.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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