Verfassungsgericht:Eilige Güterabwägung

Lesezeit: 3 min

Die Karlsruher Richter müssen entscheiden, ob das Gesetz über die "Homo-Ehe" am 1. August in Kraft treten darf.

Helmut Kerscher

Immerhin ein Ergebnis des Prozesses um die "Homo-Ehe" ist gewiss: Das Bundesverfassungsgericht wird sich korrigieren. Es wird nicht mehr sagen: "Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt eindeutig gegen das Sittengesetz", und es wird nicht mehr entscheiden, die Strafbarkeit männlicher Homosexualität sei verfassungsrechtlich schon in Ordnung.

Es wird auch nicht erneut Sachverständige fragen, ob ein Unterschied bestehe "in der Aktivität und Hemmungslosigkeit bei gleichgeschlechtlichen Handlungen zwischen Männern einerseits und zwischen Frauen andererseits". Dies alles haben - im Einklang mit dem Zeitgeist - zehn Männer aus der Gründergeneration des Gerichts getan, in einem Urteil 1957.

Eilanträge von Sachsen und Bayern gegen Homoehe

Was werden nun ihre Nachfolger zur Einführung einer gesetzlich fest gefügten Lebenspartnerschaft zwischen "zwei Personen gleichen Geschlechts" sagen? Möglicherweise gibt der Erste Senat, in dem die Richterin Christine Hohmann-Dennhardt als Berichterstatterin zuständig ist, noch an diesem Mittwoch eine vorläufige Antwort.

Schnell jedenfalls wird und muss es gehen, bei den Anträgen der Freistaaten Bayern und Sachsen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Inkrafttreten des Gesetzes am 1. August. Solche Eilanträge sind manchmal erfolgreich, weil das Gericht bei der in diesem Stadium zu treffenden "Folgenabwägung" ein Gesetz stoppen kann, um es im späteren "Hauptsacheverfahren" in Ruhe prüfen zu können.

Konfliktfelder müssen mit einem "Was wäre, wenn..." gecheckt werden

Lässt das Gericht ein Gesetz erst einmal in Kraft treten, so zeugt das zwar von Respekt gegenüber dem Gesetzgeber. Aber es könnte Schaden entstehen, wenn dieses Gesetz später wieder kassiert wird.

Die Prozessparteien müssen also alle möglichen Konfliktfelder des Gesetzes mit einem "Was wäre, wenn..." beackern. Wenn das Gesetz in Kraft träte und ein Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft stürbe nach dem 1. August, wäre der andere pflichtteilsberechtigt, was derzeit nicht der Fall ist.

Bei einer schweren Erkrankung hätten die jeweiligen Partner ein gesetzliches Auskunftsrecht. In einem Prozess hätte ein eingetragener Lebenspartner ein Zeugnisverweigerungsrecht als Familienangehöriger, was ein Urteil beeinflussen könnte.

Karlsruhe stoppte bereits Altenpflegegesetz auf Antrag Bayerns

Erst vor wenigen Wochen hat das Verfassungsgericht wieder bewiesen, dass es im Zweifelsfall ein Gesetz aufhält: Ebenfalls auf Antrag Bayerns stoppte Karlsruhe das Altenpflegegesetz, das ebenfalls am 1. August in Kraft treten sollte.

Vor neun Jahren hatte der Freistaat (gemeinsam mit 248 CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten) auf diese Weise die Abtreibungsreform von 1992 verhindert.

Das zentrale Argument des Gerichts, das auch im Prozess um die "Homo-Ehe" vorgetragen wird: Ein möglicher mehrmaliger Wechsel des gesetzlichen Konzepts böte mehr Nachteile als die Beibehaltung des Status quo mit erst späterem Wechsel zur Neuregelung.

Gute Chancen für die Kläger

Eine Erfolgsgarantie bei solchen Vorverfahren gibt es allerdings nicht. Bayern scheiterte etwa mit Eil-Anträgen gegen den deutsch-deutschen Grundlagenvertrag (1973) und gegen eine EG-Rundfunkrichtlinie (1989).

Dieses Mal halten viele Beobachter einen Gesetzes-Stopp für wahrscheinlicher. Die Münchner Minister Günter Beckstein (Innen) und Manfred Weiß (Justiz) werden mit ihrem erfahrenen Prozessvertreter, dem Staatsrechtsprofessor Peter Badura, darlegen, warum das Inkrafttreten des Lebenspartnerschafts-Gesetzes ausgesetzt werden muss.

Sie wie auch der sächsische Justizminister Manfred Kolbe (CDU) und dessen thüringischer Kollege Andreas Birkmann - Thüringens Regierung klagt gegen das Gesetz in der Hauptsache, hat aber keine einstweilige Anordnung beantragt - halten das Gesetz gleich in doppelter Hinsicht für verfassungswidrig.

Gegner befürchten Verletzung der Institution Ehe

Zum einen würde die Ehe ihres im Grundgesetz garantierten besonderen Schutzes beraubt, wenn es eine "Nivellierung" mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gäbe; dadurch würde die "Institutsgarantie" der Ehe verletzt.

Zum andern sei das Gesetz in verfassungswidriger Weise zustande gekommen, indem es in zwei Teile aufgespalten worden sei - in den verabschiedeten Teil, der jetzt in Kraft treten soll, und in ein Ergänzungsgesetz, das im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat schmort.

Ein Scheitern hätte verschiedene Regelungen der Länder zur Folge

Bei einem - wahrscheinlichen - Scheitern des Gesetzes müsse jedes Bundesland das Verfahren der Eintragung selbst festlegen, was zu unterschiedlichen Regelungen führen könne. Dies dürfe wegen der vom Grundgesetz verlangten Einheitlichkeit der Lebensbedingungen nicht sein.

Für das bedrohte Gesetz wird einer seiner Väter, der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Bündnis90/Grüne), kämpfen. Der rechtspolitische Sprecher seiner Fraktion hatte Anfang Juli - ungewöhnlich für einen Nicht-Juristen - in der Neuen Juristischen Wochenschrift "Die verfassungsrechtliche Begründung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft" dargelegt.

In vielen anderen Ländern ist die Homo-Ehe längst akzeptiert

Beck sieht keinen Grund, den Homosexuellen in Deutschland weiterhin die in vielen Ländern längst gewährten Rechte vorzuenthalten. Unterstützt wird er von zwei wortgewaltigen SPD- Politikerinnen, der Hamburger Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit und der Professorin Heide Pfarr, der früheren Berliner Senatorin und hessischen Ministerin.

Eine dritte wortgewaltige SPD-Dame hat sich nicht angesagt: Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin lässt sich durch ihren Staatssekretär Eckhart Pick vertreten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: