Verfassungsänderung in Italien gescheitert:Erneute Schlappe für Berlusconi

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Die Italiener haben sich bei einem Volksentscheid mit großer Mehrheit gegen eine Änderung der Verfassung ausgesprochen. Ein Erfolg für Prodi - und eine Schlappe für den Ex-Premier Berlusconi, der für ein 'Ja' geworben hatte.

Stefan Ulrich

Nach Auszählung aller abgegebenen Stimmen votierten 61,7 Prozent gegen und 38,3 Prozent für die umfangreiche Verfassungsreform. Sie hätte mehr Rechte für die Regionen und mehr Macht für den italienischen Premier vorgesehen.

Beobachter werteten das Ergebnis als Erfolg der neuen Links-Regierung unter Romano Prodi, die sich gegen die Änderung des Grundgesetzes ausgesprochen hatte. Ex-Premier Silvio Berlusconi und sein Rechts-Bündnis hatten dagegen für ein Ja geworben. Die Wahlbeteiligung war mit 53,6 Prozent höher als erwartet.

Prodi sagte, sein Kabinett strebe eine parteiübergreifende Einigung sowohl zur Verfassungs- als auch zu einer Wahlrechtsreform an. "Verfassungsreformen erfordern die breitestmögliche Unterstützung," sagte er.

Die Verfassungsreform war vergangenen Herbst von der damaligen Regierung unter Berlusconi gegen den Willen der Opposition im Parlament durchgesetzt worden. Sie hätte nun noch vom Volk bestätigt werden müssen. Die Novelle sah vor, den Premier auf Kosten des Staatspräsidenten und des Parlaments zu stärken.

So sollte der Regierungschef künftig nicht mehr von den Parlamentariern, sondern unmittelbar vom Volk bestimmt werden. Auch sollte er das Recht erhalten, das Parlament aufzulösen. Auf Druck der Partei Lega Nord bestimmte die Reform zudem, den Regionen Entscheidungsmacht in der Schul- und Gesundheitspolitik sowie bei der örtlichen Polizei zu übertragen.

Dies wäre ein Schritt weg vom Zentralstaat und hin zu einem Bundesstaat gewesen.

Bossi: "Dann gehen wir in die Schweiz"

Neben der Linken hatten sich auch die meisten Verfassungsrechtler gegen das Reformpaket ausgesprochen. Sie kritisierten etwa, die neuen Befugnisse für die Regionen seien nicht klar genug festgesetzt, so dass es zu Kompetenz-Streitigkeiten und einer Aufblähung der Bürokratie kommen könnte.

Der arme Süden des Landes falle durch die Regionalisierung weiter zurück. Auch bestehe die Gefahr eines übermächtigen Ministerpräsidenten. Die Rechte hatte dagegen argumentiert, die Verfassungsänderung sei dringend notwendig, um Italien zu modernisieren und bürgernäher zu regieren.

Der frühere Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro, der die Nein-Kampagne angeführt hatte, sprach von einem großen Sieg.

Die Opposition bedauerte dagegen, es sei eine "historische Gelegenheit" zur Modernisierung des Landes verpasst worden. Umberto Bossi, der Führer der regionalistischen Lega Nord, antwortete auf die Frage, was er bei einem Nein der Wähler tun werde: "Dann gehen wir in die Schweiz."

© SZ vom 27.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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