Vatikan:Papst überdenkt Kondom-Verbot

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Der Vatikan hält Ausnahmen zum Schutz vor Aids für möglich - eine "zügellose Sexualität" soll aber keineswegs begünstigt werden.

Stefan Ulrich

Der Vatikan erwägt, sein striktes Kondomverbot in Ausnahmefällen zu lockern, um die weitere Verbreitung von Aids zu bekämpfen. Der päpstliche ,,Gesundheitsminister'', Kardinal Javier Lozano Barragán, gab jetzt in Rom bekannt, er habe auf Wunsch von Papst Benedikt XVI. ein 200 Seiten starkes Dossier zusammengestellt.

Die Studie gehe auf die wissenschaftlichen und moraltheologischen Seiten des Problems ein und offenbare ,,einen enormen Regenbogen'' an Meinungen. So hätten manche der befragten Theologen eine ,,sehr strenge'', andere eine ,,sehr verständnisvolle'' Haltung zum Kondomgebrauch eingenommen.

Außerdem hätten Wissenschaftler untersucht, wie wirksam Präservative als Schutz gegen Aids seien. Das Papier werde nun der Glaubenskongregation vorgelegt. In Rom wird vermutet, der Papst werde danach ein eigenes Dokument veröffentlichen.

Schuldfrage ungeklärt

Aids sei ein Thema, das dem Papst große Sorgen bereite, sagte der mexikanische Kardinal. Er hoffe, dass Benedikt sagen werde, wie mit dem Problem umzugehen sei. Allerdings könne ,,keine Antwort der Kirche so aussehen, dass sie sexuelle Zügellosigkeit begünstigt''.

Der Präsident des Päpstlichen Rates für die Krankenseelsorge sagte außerdem zur Frage, wer bei Aidsinfektionen durch Sexualverkehr die Schuld trage: ,,Es ist nicht die Kirche, die urteilen muss. Es ist Gott, der richtet und vergibt. Unsere Aufgabe ist es, zu begleiten, vorzubeugen, zu pflegen und zu heilen.''

Ausnahmen vom Kondomverbot werden offenbar für zwei Fälle erwogen: bei verheirateten Paaren und bei Pandemien. Bisher untersagte der Vatikan den Gebrauch von Präservativen rigoros und setzte im Kampf gegen Aids ganz auf Enthaltsamkeit und eheliche Treue.

Das Thema Kondome galt unter Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. als tabu. Allein die Tatsache, dass Benedikt nun eine umfassende, kontroverse Meinungen einbeziehende Studie anforderte, wird in Rom als Zeichen der Öffnung interpretiert.

Einige Theologen argumentieren, die Lehre der Kirche lasse durchaus Raum für eine liberalere Haltung. Sie verbiete zwar generell, also auch verheirateten Paaren, den Gebrauch von Präservativen zum Zweck der Empfängnisverhütung. Hier gehe es aber um eine Verwendung zum Gesundheitsschutz. Diese andere Absicht bei der Kondombenutzung erlaube auch eine andere moralische Bewertung.

© SZ vom 23.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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