Vaterschaftstests:Ein Kind mit zwei Vätern

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In den wilden Siebzigern, als Besitzansprüche in der Liebe als bürgerliche Marotte betrachtet wurden, wollte niemand herausfinden, wer der Vater von Lars ist. Nach all den Jahren wollen sie es nun doch wissen.

Von Cathrin Kahlweit

Bei der Geburt war er nicht dabei; dass er einen Sohn hatte, erfuhr Herbert Maier (Namen der Beteiligten von der Redaktion geändert) am Telefon. "Wir sind Vater geworden", brüllte sein Freund Klaas Johnson an einem Wintermorgen im Jahr 1977 begeistert in den Hörer.

Die Freude über das Baby, das vor nunmehr 27 Jahren in Göttingen geboren wurde, war damals dreigeteilt: Es freute sich die Mama Eva Klages, eine Studentin, es freute sich Vater Nummer 1, Herbert Maier, und es freute sich Vater Nummer 2, Klaas Johnson.

Beide Männer waren damals mit der jungen Mutter befreundet, beide kamen als Erzeuger in Frage, und beide haben - bis vor kurzem - darauf verzichtet, herausfinden zu wollen, wer denn nun tatsächlich der Vater des inzwischen 27-jährigen Lars ist.

Auch dieser, mittlerweile selbst Student, konnte mit der Ungewissheit bislang gut leben. Eva Klages wusste es schlicht nicht genau.

Bürgerliche Marotte

So etwas war ja durchaus üblich damals in den wilden Siebzigern, als man in Wohngemeinschaften zusammenlebte, Eifersucht verpönt war und Besitzansprüche in der Liebe als bürgerliche Marotte betrachtet wurden.

"Wir fanden die Frage der Vaterschaft alle drei damals nicht wirklich wichtig", sagt Herbert Maier. "Wir haben diese Blut- und Hoden-Romantik abgelehnt, nach der man ein Kind offenbar nur lieben konnte, wenn es wirklich das eigene war."

Leichter wurde den beiden Männern die Lage dadurch gemacht, dass die Mutter, eine bekennende Feministin, das Kind als "ihre Sache" betrachtete und von keinem der beiden Väter Unterhalt forderte.

Maier, der Lars regelmäßig besuchte, zahlte dennoch freiwillig, wenn auch unregelmäßig - zuletzt 10.000 Euro, um Lars das Studium zu finanzieren.

Maier sagt: "Ich gehe davon aus, dass ich der Vater bin." Lars sehe ihm durchaus ähnlich, sagt Maier voller Vaterstolz, nur um dann einzuschränken, dass der Junge als Kind seinem Co-Vater ähnlich gesehen habe...

Würde es etwas an Maiers Gefühlen, an seinen Überzeugungen ändern, wenn Vater Nummer 2, Klaas Johnson, der Erzeuger wäre? Jetzt, nach all den Jahren, will er es doch noch wissen.

Nächste Woche wird Maier 60 Jahre alt, nächste Woche kommen Eva Klages und ihr Sohn Lars zur großen Party nach München. Nächste Woche werden die drei einen Vaterschaftstest bei einem Genlabor machen lassen.

"Jetzt, im Alter, wollen Eva und ich unsere Lebenszusammenhänge klären, wollen verstehen, wer wir sind, wer wir waren", sagt Maier.

Ein untypischer Fall

Herausfinden will er auch, ob er seinen potenziellen Sohn vielleicht noch mehr lieben kann, wenn er nur sicher weiß, dass es wirklich seiner ist.

Die umgekehrte Reaktion fürchtet er nicht: "Ich mag ihn, er bleibt mein Kind. Wenn nicht mein eigenes, dann wird er eben gewissermaßen mein Sozialkind."

Lars war übrigens lange gegen einen Test, auch wenn er zu Vater Nummer 2 keinen Kontakt mehr hat; Klaas Johnson ist vor Jahren ausgewandert.

Der 27-Jährige wollte bisher seine "Biografie nicht umdeuten müssen", mochte den Gedanken an alle die Konsequenzen nicht, die sich aus dem Testergebnis - so oder so - ergeben könnten. Das ist indes eher untypisch.

Humangenetiker wie Hildegard Haas und Claus Waldenmaier, die ein Buch über "Kuckuckskinder" geschrieben haben, berichten, dass Kinder in der Regel ihre Eltern kennen wollten, dass sie Erklärungen für bestimmte Erbanlagen suchten.

Aber untypisch ist ja auch der ganze Fall der Maiers, Johnsons und Klages, denn es ist nicht gerade üblich, dass alle Beteiligten in einer solchen Gemengelage entspannt mit ihrer Situation umgehen.

Herbert Maier erklärt das mit seinem Konzept von Liebe. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass Lars nicht sein Sohn ist, würde er ihn nicht als "Kuckuckskind" bezeichnen wollen.

"Kuckuckskinder sind im Nest nicht gewollt; sie gehören einer anderen Art an. Aber ich habe die Mutter geliebt. Wir alle drei wollten dieses Kind", sagt Maier.

© SZ vom 13.1.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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