USA versus UN:Zorn über die Kritik am Kritiker

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Die amerikanische Bevölkerung habe keine Ahnung von der Arbeit der UN und Washington tue nichts dagegen - mit solch offenen Worten hat der stellvertretende UN-Generalsekretär den amerikanischen UN-Botschafter erzürnt. Doch Kofi Annan steht hinter seinem Vize.

Dass die Amerikaner - Bevölkerung und Regierung - nicht viel von den UN halten, ist bekannt. Allein die Ernennung John Boltons, einem der größten Kritiker der Organisation, zum amerikanischen UN-Botschafter spricht Bände.

Mark Malloch Brown: keine "Anti-USA-Rede" (Foto: Foto: dpa)

Doch während die Amerikaner kein Blatt vor den Mund nehmen, wenn es darum geht, die UN zurechtzuweisen, sind sie selbst offenbar äußerst empfindlich, was Rügen angeht.

Dementsprechend scharf fiel auch die Reaktion von John Bolton auf die offenen Worte des stellvertretenden UN-Generalsekretärs Mark Malloch Brown aus.

Malloch Brown hat gewagt, die Art und Weise zu kritisieren, mit welcher die Arbeit der UN in den Vereinigten Staaten dargestellt wird.

In seiner Rede auf einer Konferenz am Dienstag hatte Kofi Annans Stellvertreter bemängelt, in den USA erfahre kaum ein Bürger etwas über die Leistungen der UN.

Zwar nutze Washington die Vereinten Nationen einerseits "fast heimlich" als diplomatisches Instrument. So arbeiteten die USA mit der UN bei Themen wie dem Iran, Afghanistan, dem Libanon oder Syrien zusammen.

"Die Rolle der UN ist de facto ein Geheimnis"

Zugleich bleibe die öffentliche Debatte in den Vereinigten Staaten über die Rolle der UN aber ihren "lautstarksten" Kritikern wie dem Fernsehsender Fox News überlassen.

"Die Rolle der UN ist de facto ein Geheimnis in der Mitte Amerikas (Middle America)", erklärte der Brite. "So wird man früher oder später die Unterstützung der UN verlieren."

Die Äußerungen des Stellvertreters von Kofi Annan kamen überraschend, besagt doch ein ungeschriebenes Gesetz, dass ranghohe UN-Vertreter einzelne Länder nicht kritisieren.

John Bolton reagierte erwartungsgemäß empört. Er bezeichnete die Rede von Malloch Brown als einen "sehr, sehr schweren Fehler".

"Generalsekretär Kofi Annan muss eingreifen und sich persönlich und öffentlich von dieser Rede distanzieren", forderte Bolton. Wenn dies nicht geschehe, "wird dies den UN sehr schaden".

Insbesondere die Wahl des Wortes Middle America störte den amerikanischen Botschafter. Die Rede Browns, so Bolton, könne die Bemühungen von Annan zur Reform der Vereinten Nationen gefährden. Dies habe er dem Generalsekretär auch in einem Gespräch mitgeteilt.

Bolton: Beleidigung für das amerikanische Volk

Bolton wirft Malloch Brown vor, er habe mit seinen Äußerungen das amerikanische Volk beleidigt, und dies stehe ihm als "UN-Funktionär" nicht zu.

Malloch Brown selbst erwiderte, er vermute, dass Bolton seine Rede zunächst gar nicht gelesen habe, sondern nur Presseberichte, die einige Passagen herausgegriffen hätten. "Ich kann beim besten Willen nicht sehen, wie man daraus eine antiamerikanische Rede konstruieren kann", sagte er und bezeichnete seine Worte als "ehrliche und konstruktive Kritik" an der US-Politik seitens eines "Freunds und Bewunderers".

Vor Reportern erklärte er, seine Rede sei ein kalkulierter Versuch gewesen, den festgefahrenen Reformprozess wieder in Gang zu bringen. Seine Kritik an der UN-Berichterstattung gelte konservativen US-Medien, die eine ganz bestimmte Linie verfolgten und abweichende Meinungen grundsätzlich nicht zuließen, sagte er.

Von der Regierung in Washington wünsche er sich, dass sie die UN zumindest hin und wieder mal in Schutz nehme. Eine Regierung müsse manchmal auch den Mut haben, unpopuläre Dinge zu verteidigen, wie beim in den USA nicht populären Marshallplan zum Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der UN-Beamte lobte US-Außenministerin Condoleezza Rice und ihre Vorgänger, beschwerte sich aber zugleich, dass die gute Arbeit der UN in den USA ignoriert werde.

Unterstützung durch den Generalsekretär

Die Aufforderung Boltons an Annan, Malloch Browns Bemerkungen zurückzuweisen, lehnte Generalsekretär Annan ab.

Annans Sprecher Stephane Dujarric teilte mit, der Generalsekretär stehe hinter den Äußerungen seines Stellvertreters. Annan stimme mit der Stoßrichtung der Rede überein. "Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass irgendwelche Maßnahmen gegen den Stellvertreter ergriffen werden."

Brown habe keine "Anti-USA-Rede" gehalten, sondern im Gegenteil die Vereinigten Staaten zu einem größeren Engagement bei den Vereinten Nationen aufgerufen.

Damit hat die Konfronation zwischen den Vereinten Nationen und den USA eine neue Qualität erreicht.

Streit um die UN-Reform

Der Streit findet vor dem Hintergrund der Verhandlungen über die interne Reform der UN statt. Der Weltorganisation droht die Handlungsunfähigkeit, wenn die Mitgliedstaaten bis Ende des Monats keine Einigung über die Reform erzielt haben.

Zu diesem Datum läuft eine vorläufige Kompromisslösung aus, die im Dezember über den UN-Haushalt erzielt worden war. Die Mitgliedsländer hatten der UN für dieses halbe Jahr Ausgaben in Höhe von insgesamt 950 Millionen Dollar (743 Millionen Euro) bewilligt, die Freigabe weiterer Mittel aber von dem Fortschritt der Reform abhängig gemacht. Die USA haben gedroht, ihre Beiträge einzufrieren, wenn bis Ende Juni keine Einigung erzielt ist.

In einer Gallup-Umfrage vom März hatten 64 Prozent der Amerikaner erklärt, dass die UN ihrer Ansicht nach schlecht arbeiteten. Eine große Mehrheit sprach sich aber auch dafür aus, dass sie eine wichtige Rolle in der internationalen Politik spielen sollten.

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