USA, Großbritannien und die Irak-Krise:Ein Tandem gerät außer Tritt

Lesezeit: 4 min

In George W. Bush hatte Tony Blair einen Partner gefunden, der seine religiösen Ursprünge teilte und ihm politisch aus der Seele sprach. Jetzt muss der Premier den Briten beweisen, dass er seinem amerika-nischen Amtskollegen nicht nur blind und unterwürfig folgt.

Von Christoph Schwennicke

Es war ein Tabubruch, ein riskanter, ein kalkulierter, ein taktisch motivierter wohl auch. In einem Beitrag im Independent forderte Oppositionsführer Michael Howard den britischen Premierminister Tony Blair vor dem Hintergrund der Geschehnisse im Irak auf, mehr Rückgrat gegenüber der amerikanischen Regierung im Allgemeinen und US-Präsident George W. Bush im Besonderen zu zeigen.

Es gebe ein "Defizit an Aufrichtigkeit" in Blairs Diskussionen mit Bush. "Die Partnerschaft zwischen dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten sollte stets aufrichtig sein", schrieb Howard und warf Blair vor, nur so zu tun, als könne er mit seiner Doppelstrategie aus voller öffentlicher Unterstützung und Widerspruch im privaten Gespräch etwas bewirken.

"Zeit zum Aufbegehren"

Kein britischer Premier, so Howard, habe eine so enge Verbindung zu einem amerikanischen Präsidenten gehabt wie Margaret Thatcher. "Und doch, wenn Frau Thatcher uneins war mit Präsident Reagan - wie etwa bei der Invasion der USA in Grenada 1983 und nach dem Reagan-Gorbatschow Gipfel in Reykjavik 1986 - dann machte sie ihre Ansichten klar."

In einem Radio-Interview wehrte sich Howard noch pro forma gegen die Schlagzeile, welche die Zeitung über seinen Text geschrieben hatte, auf der Website der Tories stand sie dann gleichwohl: "Time to stand up to Bush" - Es ist Zeit, gegen Bush aufzubegehren.

Howard hat damit mehr als nur das alte Bild vom Pudel Blair erneuert. Dieser Beitrag, die verfahrene Lage im Irak, die Folterbilder aus Abu Ghraib, all das hat in Großbritannien eine Debatte über die Special Relationship mit den USA ausgelöst.

Der "Preis des Einflusses" zu hoch?

Die Frage heißt: Handelt es sich hier nur um eine krisenhafte Situation, oder reichen die Folgen weiter und beschädigen die besondere Beziehung der beiden Länder auch strukturell? Welchen Einfluss und welche Rolle hat Großbritannien in dieser Special Relationship, die wirkt, als bestehe sie lediglich aus blinder Gefolgschaft? Ist der "Preis des Einflusses", wie es Blair selber einmal formulierte, zu hoch geworden?

Die Debatte hebt ironischerweise zu einer Zeit an, in der der 60.Jahrestag des D-Day begangen wird, der Landung der Alliierten. Noch immer gilt dieses Ereignis als ein Fixpunkt in der Special Relationship, als Meisterleistung an diskretem Einfluss auf die USA des damaligen Premiers Winston Churchill.

"Die Einspinnung und Einspannung Amerikas in den englischen Krieg", schreibt etwa Sebastian Haffner in seiner Churchill-Biographie, sei die größte Tat des englischen Premiers gewesen, die er mit allen Mitteln "von der glühendsten Werbung bis zur kältesten Erpressung" in einer "nie abreißenden Privatkorrespondenz mit Präsident Roosevelt betrieb".

Blair verehrte Clinton, aber fand den Partner in Bush

Bush hat Blairs Willenskraft einmal mit der Churchills verglichen. Bush und Blair verbindet eine tiefe Partnerschaft, kaum ein Buch beschreibt dies so trefflich wie "Hug them close" des Times-Kommentators Peter Riddell. Darin beschreibt er die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Blair und dem Demokraten Clinton einerseits und seine noch tiefere Hinwendung zum neuen republikanischen Präsidenten Bush als nur scheinbar erstaunlich, tatsächlich aber logisch.

Blair habe Clinton als politisches Genie verehrt, aber in Fragen von Krieg und Frieden sei ihm dieser zu zaudernd gewesen, gerade was den Irak und den Terrorismus angehe. In Bush habe der Brite einen viel entschlosseneren Partner gefunden, der ihm bis in die religiösen Ursprünge seiner Überzeugungen hinein aus der Seele sprach und auch so handelte.

"Die Leute sagen, wir tun das, weil die Amerikaner uns sagen, dass wir es tun sollen", griff Blair dies selber einmal auf. "Ich sage: Es ist noch schlimmer. Ich glaube daran." Hat sich Blair also zu blind ins Schlepptau der Amerikaner nehmen lassen, hat er sich - um Haffner zu variieren - in einen amerikanischen Krieg einspinnen und einspannen lassen, ohne Recht auf Mitsprache? Wie lange kann sich Blair noch bedingungslos an der Seite Bushs halten?

Kein schönes Bild zum an die Wand nageln

Die Wortmeldung Howards blieb nicht ohne Folgen. Weitere Kritiker einer ungesunden Balance der Beziehungen zwischen den USA und Großbritannien meldeten sich in den vergangenen Tagen zu Wort. Der frühere britische Botschafter in den USA, Christopher Meyer, sagte: "Die Special Relationship ist nicht einfach ein schönes Bild, das man an die Wand nagelt und bewundert."

Sie sei dafür da, Einfluss zu nehmen auf Dinge, "die für uns wichtig sind": Blair aber habe darin versagt, Einfluss auf eine Post-Saddam-Regelung für den Irak zu nehmen, sagte der Ex-Botschafter, der zu Zeiten der Vorbereitung auf den Krieg noch in Washington tätig war.

Das "Mantra von Downing Street Nummer 10" sei immer gewesen: Totale Unterstützung in der Öffentlichkeit und volle Offenheit im Privaten. Genug öffentliche Unterstützung habe es gegeben, sagte Meyer bissig, an der Offenheit im privaten Gespräch habe es gemangelt. Meyer sagte, er zweifle, dass es je ernsthafte Versuche gegeben habe, die USA zu einer kohärenten Politik einer Nachkriegsordnung im Irak zu bewegen.

Auch als Blair den Nahost-Plan von Israels Premier Ariel Scharon kritiklos guthieß, nachdem Bush ihn gebilligt hatte, brachte dies Blair den Ruf ein, die besondere Beziehung zu den USA zu unterwürfig auszulegen.

Kalkül vor den Wahlen

Die Kritik hat Wirkung gezeitigt. In London wird spekuliert, ob die Differenzen zwischen den USA und Großbritannien über einen Irak nach dem 30.Juni - besonders die Frage, ob die Übergangsregierung ein Vetorecht über Militäraktionen erhalten soll - von Downing Street und dem Weißen Haus nur gespielt wurden, mit dem Kalkül, dem Publikum in Großbritannien einen Beleg für die Eigenständigkeit zu liefern.

Die Frage, wie standfest Blair gegenüber Bush ist, vollzieht sich innenpolitisch vor dem Hintergrund der Europa-wahlen am 13.Juni. Es ist offensichtlich, dass Oppositionschef Howard mit seiner offenen Kritik Kapital für die Wahlen schlagen will, die als Aufgalopp für die Wahlen zum britischen Unterhaus wahrscheinlich im kommenden Jahr betrachtet werden.

Noch im März hatte er vor einem pro-amerikanischen Publikum im mexikanischen Cancun gesagt, dass Großbritannien besser nicht einmal ein Zigarettenpapier zwischen sich und seinen Haupt-Alliierten bringen lassen.

Labour wäre ohne Bush-Freundschaft besser dran

Dennoch hat sein Anstoß die Wirkung nicht verfehlt. Er habe nach dem Regierungswechsel in den USA mehrere Gespräche mit Blair über den Umgang mit der neuen US-Regierung gehabt, ließ der ehemalige Außenminister Robin Cook, heute erbitterter Antipode Blairs, die Leser seiner Zeitungskolumne wissen.

Zu seiner Überraschung sei Blair damals entschlossen gewesen, Bush noch enger zu umarmen als Clinton. Dies sei aus der Befürchtung heraus geschehen, dass andernfalls nach Blairs Einschätzung die US-Republikaner alles daran gesetzt hätten, eine Tory-Regierung in Großbritannien als Partner zu bekommen.

Ein Fehler Blairs, wie Cook findet: "Labour wäre heute besser dran, wenn wir Bush den britischen Konservativen überlassen hätten", schreibt Cook mit spitzer Feder: 'Wählt Tory für Bush' wäre ein erfolgreicherer Labour-Slogan für die Europa-Wahlen im Juni, "als alles, was unsere Kampagne bisher hervorgebracht hat".

© SZ vom 3.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: