USA:Die Wahl und der Krieg

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Warum die Demokraten bei den Kongresswahlen an diesem Dienstag aller Voraussicht nach triumphieren werden - und Präsident Bush trotzdem nicht zu einem Kurswechsel im Irak zwingen können.

Ein Kommentar von Reymer Klüver

Ein symbolträchtiges Foto aus Washington war dieser Tage in amerikanischen Zeitungen zu sehen. Es zeigt einen Bauzaun mit der Aufschrift Closed for Maintenance - wegen Wartungsarbeiten geschlossen. Im Hintergrund die Kuppel des Kapitols, des mächtigen Zentrums der amerikanischen Politik.

Geschlossen ist der Kongress gerade wirklich, weil an diesem Dienstag das Repräsentantenhaus und jeder dritte der 100 Senatoren neu gewählt werden. Wie es aussieht, werden die Wähler dabei den Auftrag zu einer politischen Generalüberholung geben. Alle Umfragen sagen es: Die Amerikaner wollen den Wechsel. Die republikanische Mehrheit soll weg.

Midterm elections, die Kongresswahlen zwischen den Präsidentschaftswahlen, sind immer eine Volksabstimmung über den Mann im Weißen Haus. Die fällt für den Amtsinhaber selten vorteilhaft aus. Diesmal erst recht nicht, da es eine massive Anti-Bush-Stimmung im Land gibt.

Weil man aber den Präsidenten nicht nach Hause schicken kann, macht man es eben mit den Abgeordneten seiner Partei im Kongress. Deshalb ist es ziemlich wahrscheinlich, dass die Demokraten eine Mehrheit im Repräsentantenhaus erringen und im Senat zumindest so viele Mandate bekommen, dass dort Politik gegen sie unmöglich werden wird.

Irak, Irak, Irak

Was hat die politische Unzufriedenheit im Land befeuert? Die Antwort ist einfach. Sie heißt: Irak, Irak, Irak. Dann folgen mit weitem Abstand die anderen Themen, die Entrüstung über die Korruption der bisher Mächtigen und die Unzufriedenheit über die Rücksichtslosigkeit, mit der sie ihre parteipolitischen Interessen durchgesetzt haben.

Die Demokraten werden darauf reagieren. Sie haben ein Gesetzgebungsprogramm vorbereitet für die ersten 100 Stunden, in denen der Kongress tagt. Es sollen alle Vorschläge der 9/11-Kommission zur Terrorbekämpfung umgesetzt werden, auch jene, die den Republikanern nicht passten, zum Beispiel eine Kontrolle aller Importe in den Häfen.

Sie wollen der Ölindustrie Subventionen streichen und die Pharmabranche zu Preisnachlässen bewegen. Der Mindestlohn soll erhöht, die Zinsrate fürs amerikanische Bafög halbiert werden. Die Parlamentarier sollen sich schärferer Kontrolle unterwerfen, um Einflussnahme und Bestechung zu reduzieren.

Populäre Vorschläge sind das, die Zustimmung über Parteigrenzen hinweg finden. Doch müssen Taten folgen, was bekanntlich immer schwierig ist. Zumal Präsident Bush alles daransetzen dürfte, die Initiativen der neuen Mehrheit zu torpedieren.

Der eigentliche Prüfstein aber wird der Irak sein. Den Strategen der Demokraten ist klar, dass nicht der Kongress, sondern der Präsident die Außenpolitik bestimmt. Sie werden Bush nicht zur Kurskorrektur im Irak zwingen können. Es sei denn, sie würden ihm das Geld sperren. Doch das wäre ein verhängnisvoller Fehler. Für die Mehrheit der Amerikaner käme dies einem Verrat an der Truppe gleich.

Anhörungen im Kongress

Wenn die Demokraten also klug sind, werden sie keine Rache suchen für Bushs Demütigungen in den vergangenen sechs Jahren. Es wird kein Impeachment geben, keinen Versuch, den Präsidenten zu maßregeln. Die Demokraten werden vielmehr Anhörungen im Kongress organisieren, zum Krieg gegen den Terror, zum Geschehen im Irak.

Sie werden Zeitpläne vorschlagen und Bedingungen für den Abzug. Der Präsident hat signalisiert, dass er zuhören wird. Er will "sorgfältig jeden Vorschlag bedenken". Doch dies zu glauben fällt schwer. Bush hat sich fast immer überparteilicher Zusammenarbeit verweigert. Der Präsident führt, der Kongress soll folgen.

Aggressiv wie keiner seiner Vorgänger hat Bush den Machtanspruch der Administration gegenüber dem Kongress exekutiert. Regelmäßig hat er bei der Unterzeichnung von Gesetzen Erklärungen abgegeben, die unterstrichen, dass der Präsident in der Ausübung der Regierungsgewalt Vorrang vor dem Kongress hat und er sich im Extremfall nicht an die jeweiligen Gesetze gebunden sieht.

Das Weiße Haus hat durchsickern lassen, dass es über diese Praxis "keine Diskussionen" geben wird. Das werden die Demokraten sich nicht bieten lassen können. Denn wenn in zwei Jahren der nächste Präsident gewählt wird, müssen sie Erfolge vorweisen.

Sie werden gefragt werden, wie effektvoll sie das Mandat umgesetzt haben, ein Gegengewicht zu diesem Präsidenten zu bilden. Und die Antwort, wir wollten ja, aber wir konnten nicht, wird nicht verfangen. Deshalb werden sie Bushs Machtanspruch deutlich beschneiden müssen.

Schwere Aufgaben

Die Demokraten werden bald in allerhöchste Verlegenheiten geraten. Sie werden die Konfrontation mit diesem Präsidenten suchen müssen. Zugleich aber müssen sie ihren proklamierten Willen zur Zusammenarbeit beweisen.

Und das gerade bei dem heikelsten Thema: dem Krieg im Irak. Da bleibt ihnen letztlich keine Wahl, als dem Commander-in-Chief zu helfen, die dicksten Brocken auf dem steinigen Weg zurück aus dem Irak beiseite zu räumen.

Die Generalüberholung der amerikanischen Politik steht erst an. Das bedeutet ein hartes Stück Arbeit für die Demokraten. Sie müssen beweisen, dass sie das Vertrauen Amerikas wirklich verdienen.

© SZ vom 7. November 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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