US-Raketenabwehr:Polen und Tschechien signalisieren Ja

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Die USA dürfen voraussichtlich Teile ihres Raketenabwehrsystems in Polen und Tschechien errichten - doch bleibt das Projekt weiter umstritten.

Thomas Urban und Christoph Schwennicke

"Wir waren uns einig, dass unsere Antwort auf das US-Angebot höchstwahrscheinlich positiv ausfallen wird", sagte der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek am Montag nach einem Treffen mit dem polnischen Regierungschef Jaroslaw Kaczynski in Warschau.

Das Multi-Milliarden-Dollar-Projekt richtet sich nach US-Angaben gegen mögliche Raketenangriffe sogenannter Schurkenstaaten. Russland dagegen sieht durch die geplante Stationierung von Teilen des Systems in früheren Ostblockstaaten das Rüstungsgleichgewicht zwischen den Atomgroßmächten gefährdet.

In Moskau erklärte der Kommandeur der strategischen Raketentruppe Russlands, General Nikolai Solowzow, dass seine Verbände im Stande seien, Objekte des amerikanischen Systems zu zerstören. In Deutschland führt das geplante Raketenabwehrsystem zu Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Großen Koalition.

"Der Raketenschild ist gegen kein ,normales' Land gerichtet", sagte Kaczynski zur Kritik Moskaus. "Zu behaupten, dass er auf eine Veränderung des militärischen Gleichgewichts abziele, ist ein völliges Missverständnis." In einem Pressebeitrag, den Kaczynski gemeinsam mit Topolanek für die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita verfasst hat, heißt es, das System diene der Sicherheit "von ganz Europa". Topolanek nannte Vorwürfe naiv, die USA hätten sich über die Pläne nicht mit Moskau beraten.

In Polen spaltet die geplante Stationierung weiterhin nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Regierungskoalition. Agrarminister Andrzej Lepper, Vorsitzender der Bauernpartei ,,Selbstverteidigung'', bekräftigte seine skeptische Haltung zu den Plänen und forderte ein polnisches Referendum darüber. Auch die oppositionelle liberale Bürgerplattform (PO) lehnt die Pläne ab. Der PO-Vorsitzende Donald Tusk berichtete, Washington wolle Warschau offenbar bei diesem Projekt sämtliche Bedingungen diktieren. Jüngsten Umfragen zufolge sind zwei Drittel der Polen gegen die Stationierung.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erneuerte am Montag seine Kritik an dem geplanten System. Am Rande eines Besuchs in Aserbaidschan sagte er in der Hauptstadt Baku: "Wie immer bei einer Einführung neuer strategischer Systeme ist es gut, Transparenz herzustellen, und möglichst frühzeitig das Gespräch mit denen zu suchen, die davon betroffen sind."

Unmut in der Bundesregierung

Zuvor hatte Steinmeier im Handelsblatt erklärt, da die Stationierungsorte näher an Russland heranrückten, hätte man vorher auch mit Russland reden sollen. In Baku fügte er hinzu, dass es weltweit ein Nachdenken darüber gebe, ob Raketenabwehrsysteme gebraucht würden. ,,Auch Europa denkt über eine solche Technologie nach'', fügte er hinzu.

Der SPD-Abrüstungsexperte Rolf Mützenich warnte vor neuen "Rüstungsschüben" in Europa. Die Drohung Russlands, neue Mittelstreckenraketen zu stationieren, zeige den Ernst der Lage. Die Partnerschaft zwischen der Nato und Russland müsse weiterhin kooperativ sein. Die Frage eines Raketenabwehrschirms in Osteuropa müsse daher sowohl im Nato- wie auch im Nato-Russland-Rat diskutiert werden.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gibt es auch in der Bundesregierung Unmut darüber, dass die USA das Programm im Alleingang ohne Konsultation der Partner vorangetrieben haben. Man sei da genauso überrascht worden wie Russland, hieß es in Regierungskreisen. Das Thema könnte auch zu einem Koalitionsstreit führen, weil die Union weniger vehement als die SPD gegen die US-Pläne Sturm läuft.

Dass sich Russland bedroht fühle, sei nicht nachvollziehbar, sagte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckart von Klaeden. ,,Russland muss klar sein, dass die Haltung der USA und der Nato von der Bedrohungslage im Nahen Osten abhängen.'' Es liege auch an der russischen Führung, Irritationen in den westlichen Hauptstädten auszuräumen, die ihre unterschiedlichen Signale in der Iran-Politik auslösen.

© SZ vom 20.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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