US-Präsidentenwahl:Kerrys bessere Hälfte

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Bushs Herausforderer hat in John Edwards einen charmanten und dynamischen Partner gefunden - und damit seine Chance auf einen Sieg erhöht.

Von Wolfgang Koydl

John F. Kerry mag sich zwar derselben Initialen JFK rühmen, die sein großes politisches Vorbild John F. Kennedy hatte. Doch erst jetzt, mit der Berufung von John Edwards zu seinem Stellvertreter, ist es dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten gelungen, seinem trockenen Wahlkampf das jugendlich-frische Charisma einzuimpfen, das einst den legendären Präsidenten auszeichnete.

John Edwards (Foto: Foto: AP)

Denn Edwards hat alles, was Kerry nicht besitzt: Er ist dynamisch, jung, charmant - und getrieben von einem heiligen Zorn auf die sozialen Ungerechtigkeiten, die es in Amerika gibt. "Mein ganzes Leben lang habe ich mich für die Sache der arbeitenden Menschen eingesetzt" - so lautet das politisch-populistische Credo von John Edwards.

In den Vorwahlen war der Senator aus North Carolina denn auch der einzige demokratische Präsidentschaftskandidat, der Kerry einige Zeit lang überhaupt gefährlich werden konnte.

Ein veritables Dream Team

Der Südstaatler, der ein Millionenvermögen als Staranwalt mit Schadensersatzklagen verdient hat, verzauberte als silberzüngiger Herzensbrecher mit jungenhaftem Charme die Wähler - und vor allem die Wählerinnen - in den USA.

Nun wird er gegen Dick Cheney antreten, und der Kontrast zu dem Vize-Präsidenten, der selbst in guten Stunden die Aura eines bösen Onkels verströmt, könnte nicht größer sein. Freilich besteht die Gefahr, dass er mit seinem gewinnenden Auftreten auch den hölzernen John Kerry an die Wand spielt.

Dennoch sind sich Wähler und Wahlforscher einig, dass das Gespann Kerry/Edwards ein veritables Dream Team ist, das die größten Chancen hat, im November George Bush zu schlagen.

Kein enges persönliches Verhältnis

Umso erstaunlicher ist es, dass Kerry so lange zögerte, bis er den Senatskollegen aus North Carolina berief, und bis heute haben die beiden Männer nach Aussagen von Vertrauten kein enges persönliches Verhältnis aufgebaut.

Lange Zeit nahm Kerry den zehn Jahre jüngeren Mitbewerber überhaupt nicht ernst. Kerry, der seit fast zwei Jahrzehnten Senator ist, konnte es nicht verwinden, dass Edwards mit nur vier Jahren Senats-Erfahrung gleich nach der Präsidentschaft griff.

"Während der Vorwahlen hielt Kerry Edwards eindeutig für eine Art von Parvenü", erläuterte es ein demokratischer Spitzenpolitiker. "Es war wie: ,Wo kommt der eigentlich her? Warum steht er überhaupt auf derselben Bühne wie ich?'"

Seine Herkunft freilich hat Edwards nie verhehlt. Mit gutem Grund, ist sie doch sein wichtigstes politisches Guthaben, weil sie ihn deutlich von anderen Spitzenkandidaten wie Bush und Kerry abhebt, die aus wohlhabenden Verhältnissen stammen. Edwards Vater war ein einfacher Textilarbeiter aus der Kleinstadt Robbins in North Carolina.

Die Sorge um den Arbeitsplatz war eine vertraute Erfahrung in der Familie Edwards; ebenso wie Hänseleien und Schlägereien von Gleichaltrigen auf der Straße. Sie lehrten den jungen John frühzeitig, wie man sich seiner Haut wehrt. Hinter dem strahlenden Lächeln verbergen sich auch heute noch stählerne Entschlossenheit und ein unbeugsamer Wille.

Edwards gibt Unsummen für den Frisör aus

Mit verbissenem Ehrgeiz und harter Arbeit absolvierte Edwards ein Jura-Studium und begann damit, Arbeiter und Angestellte in Schadensersatzprozessen gegen Großunternehmen zu vertreten. Weil diese so genannten "Trial Lawyers" einen erheblichen Anteil der zugesprochenen Summen selbst einstreichen, sind sie nicht unbedingt beliebt; Edwards aber ist es immer gelungen, sich auch noch als Multimillionär als Anwalt des kleinen Mannes zu präsentieren.

Solche Widersprüche zeigen sich auch in Kleinigkeiten: Edwards gibt zwar Unsummen für seinen Frisör aus, aber zugleich trägt er bis heute eine billige Digitaluhr und abgetragene Schuhe. Obwohl er vier Häuser sein eigen nennt, feiert er seinen Hochzeitstag jedes Jahr in einem Restaurant der billigen Burgerkette Wendy's.

Denn nach der Hochzeit gingen seine Frau Elisabeth und er dorthin, weil sie sich nichts anderes leisten konnten. Vor acht Jahren traf die Eheleute Edwards ein schwerer Schicksalsschlag, als ihr 16-jähriger Sohn Wade bei einem Autounfall ums Leben kam. Ein halbes Jahr lang kapselten sich die Eheleute und ihre Tochter ab.

Edwards Berufung stürmisch bejubelt

"In meinem ganzen Leben hat mich nichts so sehr getroffen, hat mich nichts so sehr beraubt wie der Tod meines Sohnes", schrieb Edwards in seiner Autobiografie "Four Trials". Heute hat das Paar wieder zwei kleine Kinder, und für sie gab Elizabeth Edwards ihren Anwaltsberuf auf.

Für John Edwards wäre der Posten eines Vize-Präsidenten nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu seinem wahren Ziel: Niemand zweifelt daran, dass er selbst Präsident werden will. Zeit dafür hat er, schließlich ist er mit 51 Jahren noch sehr jung.

Dass er auch andere Qualitäten mitbringt, bescheinigte ihm John Kerry selbst. Edwards habe "Mumm, Entschlossenheit und politisches Geschick", pries er seinen running mate, als er ihn in der alten Industriestadt Pittsburgh vorstellte.

Die Menge brach in stürmischen Jubel aus. "Ich nehme an, Sie sind mit meiner Wahl einverstanden", fragte Kerry. Jetzt hat das Dream Team noch vier Monate, um auch die Mehrheit der Amerikaner davon zu überzeugen.

© SZ vom 07.07.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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