US-Präsidenten:Das Dilemma der zweiten Amtszeit

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Die Wiederwahl mag durchaus Grund zum Stolz sein, zugleich aber sollte Bush darin auch einen Anlass zur Sorge sehen. Denn historisch gesehen sind die zweiten Amtszeiten amerikanischer Präsidenten so gut wie immer hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Von Wolfgang Koydl

Washington - Eigentlich gilt ja England als die Heimat elitärer Clubs, aber heute sind die exklusivsten Zirkel eher in den USA anzutreffen.

Ronald Reagan, Richard Nixon, Bill Clinton - Skandale in der zweiten Amtszeit. (Foto: Fotos: AP, dpa, Reuters)

Der amerikanische Senat mit seinen hundert Senatoren und Senatorinnen beispielsweise wird gern als ausgesuchtester Club der Welt bezeichnet.

Noch edler freilich ist der Club der lebenden amerikanischen Präsidenten. Mit dem Amtsinhaber George W. Bush gehören ihm nur fünf Mitglieder an: Bill Clinton, George H.W. Bush, Jimmy Carter und Gerald Ford.

Seit dem 2. November aber ist der gegenwärtige Präsident in den Olymp der Exklusivität aufgestiegen. Der Club der "Two Termers", die zweimal gewählt wurden, besteht lediglich aus zwei Männern: George W. Bush und Bill Clinton.

Das mag durchaus Grund zum Stolz sein, zugleich aber sollte Bush darin auch einen Anlass zur Sorge sehen. Denn historisch gesehen sind die zweiten Amtszeiten amerikanischer Präsidenten so gut wie immer hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

"In den letzten hundert Jahren gab es keine einzige gute zweite Amtszeit", urteilte der Historiker Lewis Gould von der Universität Texas. Und Stephen Hess von der Washingtoner Denkfabrik Brookings verglich Präsidentschaften sogar mit einem Stundenglas: "In der zweiten Amtszeit geht der Sand aus."

Lewinsky, Iran und Watergate

Im Allgemeinen ist dies eine von zwei Schwächen, die wiedergewählten US-Präsidenten zum Verhängnis wird:

Entweder ist ihr Vorrat an politischen Ideen verbraucht, oder sie überheben sich mit grandiosen Vorhaben in ihrem Bemühen, in den Geschichtsbüchern erwähnt zu werden.

Nach allem, was bisher zu sehen ist, wird George W. Bush, der 43. Präsident der Vereinigten Staaten, den zweiten Pfad einschlagen: "Ich glaube, dass ein Präsident große Dinge auf die Tagesordnung setzen und große Probleme lösen muss", erklärte er wenige Tage vor seiner Vereidigung in einem Interview.

Oft genug freilich wurden hochfliegende Pläne von eher niedrigen Vorfällen zerstört. Skandale, die den Ruf eines Präsidenten befleckten, kamen meistens erst in der zweiten Amtszeit ans Tageslicht.

In bester Erinnerung sind noch die Untersuchungen in dubiose Geschäftspraktiken sowie das Amtsenthebungsverfahren wegen der Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky, die Clinton nach seiner Wiederwahl in Bedrängnis brachten.

Auch über Ronald Reagan, der von 1981 bis 1989 regierte, brach der Iran-Contra-Skandal erst nach seiner Wiederwahl herein.

Der berühmteste und berüchtigtste Fall freilich ist der von Richard Nixon. Nach seinem triumphalen Wahlerfolg von 1972 hatte er in weiser Voraussicht erkannt, dass "die meisten zweiten Amtszeiten verheerend waren".

Die Erkenntnis half ihm nichts. Kurz nach der zweiten Vereidigung kam der Watergate-Skandal allmählich ans Tageslicht. Was tröpfchenweise mit Enthüllungen in der Presse begann, schwoll rasch zu einem Strom an, der Nixon 18 Monate später aus dem Amt spülte.

Lebhafte Zeiten erwartet

Kaum ein anderer Präsident ist mit derart ehrgeizigen Plänen in seine zweite Amtszeit gegangen wie Bush - in der Außen- wie in der Innenpolitik. "Sein Ziel ist nichts Geringeres, als dass er als einer der ganz großen amerikanischen Präsidenten in die Geschichte eingehen will", schrieb die Los Angeles Times.

Freunde wie Feinde des Präsidenten in Washington rechnen damit, dass Bush gewillt ist, die meisten Projekte durchzusetzen. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in der Tatsache, dass Bush sich nicht mehr zur Wiederwahl stellen muss und daher von Schwankungen in der öffentlichen Meinung unabhängig ist.

Gemessen daran, dass er sich schon während seiner ersten vier Jahre oft genug über Umfragen hinwegsetzte und wie zum Trotz eine gegenteilige Politik verfolgte, dürfte sein zweiter Durchgang noch lebhafter verlaufen.

© SZ vom 20.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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