US-Geheimdienst:Flucht nach vorne

Lesezeit: 1 min

CIA-Chef Tenet will sich im Streit über die amerikanische Kriegsbegründung nicht zum Prügelknaben machen lassen. In einer Rede will er Kritik an den Geheimdienstberichten zu angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak zurückweisen.

Dies meldeten übereinstimmend Washington Post und New York Times unter Berufung auf Geheimdienstbeamte.

Tenet werde versuchen, einige der Missinterpretationen und ausgesprochenen Unrichtigkeiten darüber zurechtzurücken, was die Nachrichtendienste über den Irak berichtet oder nicht berichtet hätten.

Dabei werde Tenet auf die Kritik des zurückgetretenen US-Chefwaffeninspekteurs David Kay eingehen, der behauptet hatte, die Geheimdienste hätten mit ihrer Einschätzung über die Existenz von Massenvernichtungswaffen "völlig daneben" gelegen, weil bisher im Irak keine solchen Waffen gefunden worden sind.

Rumsfeld gibt Schützenhilfe

Es sei verfrüht, schon jetzt den Schluss zu ziehen, der Irak habe keine chemischen oder biologischen Waffen gehabt. US-Verteidigungsminister Donald Rumfseld sagte: "Wir haben zehn Monate gebraucht, Saddam Hussein zu finden. Die Wahrheit ist: er wurde in einem Loch gefunden, dass groß genug war, biologische Waffen zu beherbergen, die Tausende Menschen hätten töten können."

Tenet wird dem vorbereiteten Redetext zufolge sagen, wer davon ausgehe, dass die Mission der US-Waffenkontrolleure zu 85 Prozent vollendet sei, der liege hundertprozentig falsch. Die Rede ist nach den Medieninformationen nicht vom Weißen Haus bearbeitet worden.

Zudem wird Tenet den Informationen zufolge die bisher geheim gehaltene Tatsache preisgeben, dass die CIA Erkenntnisse zu Atomwaffenprogrammen Irans, Nordkoreas und Libyens sowie der Rolle des pakistanischen Atomforschers Adul Qadeer Khan hatte. Das deckt sich mit Informationen der Süddeutschen Zeitung, wonach westliche Geheimdienste seit Anfang der neunziger Jahre von dem Atomschmuggel des pakistanischen Forschers wussten. Kay hatte der CIA vorgeworfen auch in diesen Fällen überrascht worden zu sein.

Der CIA-Chef wird den Angaben zufolge die Entscheidung zum Irakkrieg von US-Präsident George W. Bush nicht kritisieren. Tenet hatte gestern überraschend eine Rede zur Verteidigung seiner Behörde angekündigt. Es ist sein erster öffentlicher Auftritt seit Mai 2003, die öffentliche Verteidigung gilt darüberhinaus als sehr ungewöhnlicher Schritt.

Die Rede trifft mit der Vorlage eines 300-seitigen Berichts vor dem Geheimdienstausschuss des Senats zusammen, der nach Informationen der Zeitungen kritisiert, die CIA habe sich zu stark auf veraltete Informationen und unzuverlässige Quellen, wie irakische Überläufer verlassen, als sie den Schluss gezogen habe, dass der Irak über biologische und chemische verfügt und an einem Atomwaffenprogramm gearbeitet habe.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: