US-Firmen und der Irak-Krieg:Dicke Geschäfte auf dem Ball der Herzen

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Immer neue Details über Großaufträge für US-Firmen im Irak werden bekannt - doch die Regierung kümmert es nicht.

(SZ vom 3.11.2003) - Eigentlich waren sie schon längst vergessen, die Bilder der Bosse im Machtüberschwang: wie sie den letzten Rest Anstand verloren, wie sie im Schatten des Börsenbooms "Römisches Reich" spielten, Vetternwirtschaft pflegten und für ihre Parties Michelangelo-Skulpturen aus Eis meißeln ließen, um daraus in ihre Kristallgläser Wodka "urinieren" zu lassen.

Doch die Bilder, die beim jüngsten Wirtschaftsskandal-Prozess in New York gezeigt wurden, haben für einen Moment die Zeit in Erinnerung gerufen, in der Präsidentenfreund und Enron-Chef Kenneth Lay wegen Bilanzbetrugs am Pranger stand, doch niemals verurteilt wurde, in der Bernie Ebbers, der andere Möchtegern-Cowboy, für die größte Unternehmenspleite der US-Geschichte sorgte, aber niemals belangt wurde, und in der ein Mann namens Dick Cheney, ehemals Chef des Energieriesen Halliburton, verdächtige Bilanzmanipulationen zu verantworten hatte und später dann einer der mächtigsten Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten wurde.

Man hat schon oft über das so genannte H-Wort gesprochen, über die geheimen Machenschaften der Regierung von George W. Bush mit Halliburton und den anderen Mächtigen der amerikanischen Wirtschaft. Jetzt aber, da der Irakkrieg in seiner heißen Phase vorüber ist und die Regierung Bush für den Wiederaufbau Aufträge in Höhe von 87 Milliarden Dollar verteilt, gibt es neuen Stoff für Geschichten.

Nicht nur, dass Cheneys altes Unternehmen Halliburton den größten Auftrag überhaupt zugesprochen bekam, sondern auch noch den einzigen ohne Budgetlimit, und dazu noch die Chuzpe besaß, bei der Benzinabrechnung Mondpreise zu verlangen.

Mehr als zwei Milliarden Dollar werden so insgesamt in die Kassen von Kellogg Brown & Root, kurz KBR, fließen, Halliburtons Tochterfirma, die sich um die Kriegswirtschaft kümmert - und obwohl die Firma gerade noch Bankrott anmelden wollte, berichtet sie nun von 80 Prozent mehr Umsatz und einem Gewinn, der sich innerhalb von drei Monaten vervierfachte. David Letterman, Talkmaster der berühmtesten Late-Night-Show des Landes, scherzte jüngst: "Ein Tip für denjenigen, der den Scheck über 87 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau im Irak ausschreibt: Halliburton schreibt sich mit zwei 'l'."

"Outsourcing war"

Die Wirtschaft, so scheint es, hat längst auch im Krieg das Kommando übernommen. "Outsourcing war" - der Krieg wird ausgegliedert - titelte jüngst das Wirtschaftsmagazin Businessweek, und Peter Singer vom liberalen Thinktank Brookings sagt: "Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass Brown & Root überall dort ist, wo auch das US-Militär hingeht." Da die Truppenstärken des amerikanischen Militärs in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent kleiner geworden sind, wurden viele traditionelle Militäraufgaben von Privatunternehmen übernommen, zum Beispiel im Bereich des Truppentransports oder der Nahrungsmittelversorgung.

90 solcher privaten Militärunternehmen soll es inzwischen weltweit geben; die führenden stammen alle aus den USA, allen voran Kellogg Brown & Root. Diese Firma stellt vornehmlich ehemalige Soldaten und Generäle ein - und bewirbt sich dann für die Staatsaufträge in Krisengebieten. Für die meisten ist der Krieg ein lukratives Milliardengeschäft, oder wie es Halliburton-Chef David Lesar nennt, ein "sehr schönes Anhängsel für das, was wir sonst noch tun".

Houston, Texas, ist das Zentrum der amerikanischen Ölindustrie. Hier haben, nach New York, die meisten Fortune-500-Unternehmen ihr Hauptquartier, hierher hat auch Halliburton vor kurzem seine Firmenzentrale verlegt. In den Sechzigerjahren hat George Bush Senior hier seine politische Karriere begonnen, als Abgeordneter des 7. Districts, hier hat George W. Bush 15 Jahre gelebt, und heute noch nennen seine Eltern und Bruder Neil die Stadt ihre Heimat.

Unternehmen wie Halliburton dominieren das Leben der Stadt. Halliburton baute das Johnson Space Center, die Universitätssportanlage, das Baseballstadion Astrodome, und einmal im Jahr gibt es den Ball der Herzen im Westin Galleria Hotel von Houston, auf dem eine gemeinnützige Hilfsorganisation mit dem Halliburton Heart Award für das beste Gesundheitsprogramm ausgezeichnet wird.

Wenn Bush hier ein Dinner gibt, um Wahlkampfspenden zu sammeln, treibt er mehr als doppelt so viel Geld ein wie in anderen Städten. Seine treuesten Geldgeber sitzen hier. Kurz: Ein Drittel aller Großspenden kamen aus Texas.

Dick Cheney, der 1995 Chef von Halliburton wurde, hat hier in Texas für Schlagzeilen gesorgt. Halliburton war zwar schon damals im Kriegsgeschäft, das erste Mal 1992 in Somalia, wo es zeitweise der größte lokale Arbeitgeber wurde, später auch in Ruanda, Haiti und Bosnien.

Noch als Verteidigungsminister unter George Bush Senior hatte Cheney die Militärausgaben zusammengestrichen und damit Spielraum für die Privatwirtschaft geschaffen. Bei der Halliburton-Tochter KBR gab er dann für 8,9 Millionen Dollar zwei Studien in Auftrag, die herausfinden sollten, inwieweit die Privatwirtschaft dem Militär zur Seite stehen könnte - eine Politik, deren Früchte er als Halliburton-Chef ernten sollte.

In den fünf Jahren an der Spitze der Firma hat er das damals krisengeschüttelte Unternehmen in den besten Kreisen eingeführt, international Aufträge gesammelt und nach nur eineinhalb Jahren den Aktienkurs verdreifacht.

David Lesar, Cheneys Mann fürs Tagesgeschäft und inzwischen Cheneys Nachfolger als Halliburton-Chef, sagt voller Hochachtung: "Wenn ich mit Cheney reiste, musste ich mich nicht mit dem Energieminister begnügen, dann kam immer der Scheich."

Die Demokraten haben bisher vergeblich versucht, Licht in das dunkle Geschäft der Auftragsvergabe zu bringen. Sie haben sich darüber beschwert, dass MCI, das Nachfolgeunternehmen von Skandalpleitier Worldcom, heute das Handynetz um Bagdad aufbauen darf, dass die Investmentbank JP Morgan, vor kurzem noch mitten im Enron-Skandal, nun ein Bankenkonsortium anführt, das im Irak das Finanzwesen errichten soll, und sie haben sich immer wieder darüber erregt, dass Halliburton die größten Aufträge bekommt, obwohl Vizepräsident Cheney noch immer Geld von seinem Ex- Unternehmen bezieht.

Das unabhängige Zentrum für Öffentliche Integrität in Washington hat jüngst in einer Studie zusammengestellt, dass die größten 70 Unternehmen, die Verträge im Irak und Afghanistan bekommen haben, im letzten Wahlkampf mehr als 500 000 Dollar an Bush gespendet haben und meistens über Ex-Kollegen persönliche Kontakte zur Regierung unterhalten. "Die meisten Unternehmen, die Aufträge im Irak oder in Afghanistan bekommen haben", sagt Charles Lewis, der Direktor des Zentrums, "versuchen, in der Politik mitzumischen."

Immerhin: Schon jetzt hat Bush die Rekordsumme von 50 Millionen Dollar an Wahlkampfspenden zusammen, mehr als alle neun demokratischen Herausforderer zusammen. Sieben Millionen davon trieb er an zwei Abenden ein: in Dallas und Houston.

© Von Marc Hujer - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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