US-Außenpolitik:"Der Feind unserer Feinde"

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Der Tod und die Schändung von US-Soldaten in Mogadischu war für die Amerikaner der größte außenpolitische Albtraum der 90er Jahre. Trotzdem unterstützt Washington offenbar einige der damals an den Gefechten beteiligten Warlords. Denn die kämpfen heute gegen somalische Islamisten.

Markus C. Schulte v. Drach

1993, als ein aufgebrachter Mob die Leichen von zwei US-Soldaten durch die Straßen von Mogadischu schleifte, entschied Präsident Bill Clinton, dass Amerika sich aus Somalia zurückziehen und das Land sich selbst überlassen würde. Der Versuch, die Macht der herrschenden Warlords zu brechen, war misslungen.

Dreizehn Jahre nach den furchtbaren Bildern interessieren sich die Amerikaner wieder für das Land - und für die Warlords, die trotz der inzwischen gebildeten Übergangsregierung noch immer vielerorts die eigentlichen Herrscher sind.

Doch nun geht es nicht mehr darum, die verhassten Gegner von einst zu bekämpfen. Vielmehr unterstützt Washington nach Angaben somalischer Regierungsmitglieder eine Reihe von Klanchefs, die im letzten Winter eine Allianz gebildet haben, um einen neuen Gegner zu vernichten: die "Miliz der islamischen Gerichte".

Diese Gruppe hat sich in Mogadischu mit islamischen Gerichten, aber auch mit Schulen und Krankenhäusern etabliert - und begonnen, die Vorherrschaft der säkularen Warlords zu untergraben.

Der Bedrohung ihrer Vormachtstellung wollten die Klanchefs mit der Bildung der so genannten "Allianz zur Widerherstellung des Friedens und der Bekämpfung des Terrorismus" (ARPCT) begegnen. Allein der Name dokumentiert bereits an, dass die Warlords auf die Unterstützung der Amerikaner gehofft hatten - mit Erfolg, wie etwa die Washington Post berichtete.

Waffen für den Anti-Terror-Kampf

Offenbar ist die Angst davor, dass sich Somalia zu einem Sammelbecken für Terroristen entwickeln könnte, größer als die Abscheu vor den früheren somalischen Gegnern.

Immerhin waren einige der Klanchefs in der Allianz 1993 in jene Gefechte in Mogadischu verwickelt, bei denen zwei US-Black-Hawk-Hubschrauber abgeschossen und 18 US-Soldaten getötet wurden.

Kurz nach der Bildung der ARPCT waren die Kämpfer der Allianz plötzlich mit Panzerabwehrraketen, Mienenwerfern und Luftabwehrgeschützen ausgestattet. Im Mai stellte dann der UN Sicherheitsrat fest, dass ein nicht genanntes Land die Anti-Terror-Allianz heimlich unterstützt - und damit ein UN-Waffenembargo missachtet. Offenbar hatte jemand die Warlords mit Geld für eine Miliz versorgt, die die Fundamentalisten in Mogadischu bekämpfen sollte.

Die somalische Übergangsregierung selbst geht davon aus, dass es die Amerikaner sind, die die Klanchefs gegen die Islamisten unterstützen. "Wir würden es lieber sehen, dass die USA mit der Regierung zusammenarbeiten, nicht mit Kriminellen", erklärte Somalias Premier Ali Mohamed Gedi der Washington Post.

Und Regierungssprecher Abdirahman Dinari erklärte: " Die US-Regierung hat die Warlords bei dem Kampf (im Mai, d.R.) unterstützt, da gibt es keinen Zweifel".

Zwar hat Washington die Unterstützung der früheren Gegner bislang nicht offiziell zugegeben. Doch es ist bekannt, dass die US-Regierung fürchtet, al-Qaida-Terroristen könnten in Somalia Zuflucht gefunden haben - und weiterhin finden.

Mögliches Sammelbecken für Terroristen

Auch würden die USA "mit verantwortungsbewussten Individuen zusammenarbeiten, um den Terror zu bekämpfen", erklärte kürzlich Sean McCormack, Sprecher des Außenministeriums in Bezug auf Somalia. "Wir wollen nicht, dass ein weiterer sicherer Hafen für Terroristen entsteht."

Genau dies sei der Grund, warum man mit einigen Warlords rede, erklärte ein Regierungsmitglied der Washington Post, das allerdings nicht namentlich genannt werden wollte. "Wir haben eindeutig Interessen daran, dass al-Qaida-Mitglieder sich nicht in Mogadischu verstecken und Angriffe planen können."

Wie ein US-Geheimdienstmitarbeiter der Zeitung sagte, sei die Übergangsregierung ebenfalls "eine Sammlung von Warlords". Es handele sich in Somalia um eine klassische "Der-Feind-unserer-Feinde"-Situation.

Kritiker werfen der US-Regierung nun vor, sich zu sehr auf eine mögliche terroristische Bedrohung zu konzentrieren, statt die neue Regierung bei der Stabilisierung des Landes zu unterstützen. Schließlich sei es häufig die fehlende Alternative, die viele Somalier davon abhält, das Gewehr wegzulegen.

"Die Kinder in Somalia wachsen ohne Bildung auf, sie kennen nur Gewalt und Armut", erklärte Ted Dagne, Afrika-Experte des Congressional Research Service der Washington Post. Wenn sich das nicht ändere, würden diese Kinder die nächsten Warlords - einfach um zu überleben. "Das", so Dagne, "ist die größte Bedrohung, um die wir uns in Somalia kümmern müssen."

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