Urteil im Neonazi-Prozess:Haft für "Sturm 34"-Anführer

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"Dass da kein Toter zurückblieb, war nicht das Verdienst der Angeklagten": Nachdem sie jahrelang brutal gegen Ausländer und Andersdenkende vorgingen, müssen drei Anführer der Neonazi-Gruppierung "Sturm 34" nun ins Gefängnis.

Die Anführer der rechtsextremen Vereinigung "Sturm 34" aus dem sächsischen Mittweida müssen ins Gefängnis. Das Landgericht Dresden verurteilte zwei Angeklagte im Alter von 20 und 23 Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung zu Jugendstrafen von dreieinhalb und drei Jahren.

Der Angeklagte Nico T. auf dem Weg zum Verhandlungssaal. (Foto: Foto: AP)

Ein 19-jähriger Angeklagter erhielt eine zweijährige Bewährungsstrafe, zwei weitere wurden freigesprochen. Die drei Verurteilten waren Mitglieder der 2006 gegründeten Neonazi-Kameradschaft "Sturm 34". Mehrfach hatten sie Andersdenkende angegriffen und zum Teil erheblich verletzt.

Ziel der Organisation soll es gewesen sein, die Region Mittweida von Ausländern und Andersdenkenden "zu säubern". Die Gegend gilt als ein Schwerpunkt der rechten Szene in Sachsen.

In der Urteilsbegründung unterstrich die Staatsschutzkammer des Gerichts, die Angeklagten und bis zu 50 Mittäter hätten in und um Mittweida ein Klima der Einschüchterung verbreiten wollen. Der sächsische Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) hatte die Gruppierung im April 2007 verboten.

Der jüngere Mann des Brüderpaares wurde von Richter Martin Schultze-Griebler als Anführer der "Sturm 34"-Gruppe bei mehreren Überfällen 2006 benannt. Besonders bei einem Übergriff an einer Tankstelle im Erzgebirgsort Stollberg habe sich die Brutalität der Täter gezeigt. "Dass da kein Toter zurückblieb, war nicht das Verdienst der Angeklagten", sagte Schultze-Griebler in seiner etwa eineinhalbstündigen Urteilsbegründung. Weitere Überfälle in Mittweida und bei einem Dorffest im benachbarten Rochlitz zeigten ein ähnliches Vorgehen einer größeren Gruppe gegen wehrlose Menschen.

Die Bezugnahme der "Sturm 34"-Mitglieder auf nationalsozialistische Ideen zeige einen tiefen Rassismus, sagte Schultze-Griebler. "Es ist die passende Ideologie für Leute, die sich gern prügeln." Es habe aber keinen für alle Mitglieder "verbindlichen Gruppenwillen" gegeben.

Das Verfahren gegen die Rechtsextremisten hatte vor allem deshalb für Aufsehen gesorgt, weil einer der freigesprochenen Angeklagten als V-Mann für den Verfassungsschutz arbeitete. Der Richter kritisierte, dass darüber die schweren Straftaten der Angeklagten in den Hintergrund gerückt seien.

Statt sich auf die Täter zu konzentrieren, seien aus "Skandalsüchtigkeit" die Sicherheitsorgane in den Fokus gerückt worden. Dass der Staatsschutz die Chance genutzt habe, über den V-Mann an Informationen zu kommen, sei selbstverständlich und nicht zu beanstanden.

Keine einvernehmliche Entscheidung über Straftaten

Freigesprochen wurden alle Angeklagten vom Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Voraussetzung für eine solche Verurteilung wäre nach den Worten des Richters gewesen, dass alle Mitglieder der rechtsextremen Gruppe einvernehmlich entschieden hätten, Straftaten zu begehen und jeder daran gebunden gewesen wäre.

Da aber jeder Einzelne über seinen Tatbeitrag habe entscheiden können, sei es nicht möglich gewesen, sie wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu verurteilen. Allerdings habe man bei verschiedenen Delikten die Mittäterschaft geltend machen können, so dass die Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung auch dann erfolgen konnte, wenn direkte Verletzungshandlungen nicht hätten bewiesen werden können.

Kritisch äußerte sich Schulze-Griebler zur Haltung der Verurteilten. Durch ihr Auftreten vor Gericht hätten sie deutlich gemacht, dass sie sich weder von ihren Taten noch von der rassistischen und totalitären Ideologie wirklich distanziert hätten, wegen derer sie vor Gericht gestanden hätten.

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