Urteil:Haushaltspolitik in NRW verfassungswidrig

Lesezeit: 2 min

Die Bundesländer geraten wegen ihrer Defizite in Bedrängnis: Das Oberste Gericht Nordrhein-Westfalens hat die Etats für 2001 und 2002 beanstandet. Berlin klagt inzwischen auf die Hilfe des Bundes.

(SZ vom 3.9.2003) - Die Bundesländer geraten wegen ihrer Haushaltsdefizite in immer größere Schwierigkeiten. Der Verfassungsgerichtshof in Münster erklärte am Dienstag die Etats der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen für die Jahre 2001 und 2002 wegen kreditfinanzierter Rücklagen für verfassungswidrig.

Das oberste Gericht des Landes gab damit einer Klage der oppositionellen CDU statt. Da das vom Gericht für ungesetzlich erklärte Verfahren auch in anderen Bundesländern, unter anderem in Bayern und Baden-Württemberg, angewendet wurde, kommt dem Urteil bundesweite Bedeutung zu. Das Land Berlin will unterdessen auf höhere Finanzhilfen des Bundes klagen.

Nach Ansicht der Richter in Münster hatte die NRW-Regierung gegen das in der Verfassung verankerte Haushaltsgebot verstoßen, wonach das Land nicht mehr neue Schulden machen darf als es investiert.

Im Etat für 2001 waren Investitionen in Höhe von 6,7 Milliarden Mark eingeplant, die Neuverschuldung sollte bei 6,2 Milliarden Mark liegen. Damit war der Etat nominell verfassungskonform, doch wurde bei der Etataufstellung auf eine im Jahr zuvor aus Krediten gebildete Rücklage in Höhe von 2,3 Milliarden Mark zurückgegriffen. Ein Jahr später waren es 1,2 Milliarden Mark, die aus Rücklagen in den Etat flossen. Laut Urteil verstößt die Rücklagenbildung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot.

Verantwortlich für die Haushaltsaufstellung war der damalige Finanzminister und jetzige Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD). Die Opposition richtete deshalb heftige Angriffe gegen seine Person. CDU-Fraktionschef Jürgen Rüttgers erklärte, ein solches Urteil sei das Schlimmste, was einem Politiker passieren könne.

Orientierung am Urteil

Für die Landesregierung versicherte Finanzminister Jochen Dieckmann (SPD), selbstverständlich werde man sich künftig an dem Urteil orientieren. Die Bildung und Auflösung von Rücklagen entspreche jedoch einer langjährigen Praxis in Bund und Ländern, verteidigte er das Verfahren.

Diese Einschätzung teilte auch der Steuerexperte an der Universität Münster, Christian Jahndorf. Die vom Gericht gerügte Bildung kreditfinanzierter Rücklagen sei in vielen Bundesländern an der Tagesordnung, sagte der Wissenschaftler.

Der Berliner Senat will den Bund unterdessen per Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht zwingen, seine finanziellen Hilfen für die hochverschuldete Hauptstadt auf mehr als 25 Milliarden Euro zu erhöhen. Das Bundesfinanzministerium erklärte dagegen, die Hauptstadt befinde sich nicht in einer extremen Haushaltsnotlage, die eine Hilfe des Bundes erfordern würde.

Das Land Hessen will 2004 die Ausgaben um 1,03Milliarden Euro drosseln. Dabei handelt es sich um das größte Sparprogramm in der Geschichte des Landes. Besonders stark wird es die Beamten treffen, denen die 42-Stunden-Woche sowie Einschnitte beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld drohen. Zudem sollen freiwillige Ausgaben und Subventionen um ein Drittel gekürzt werden.

© Von Hans-Jörg Heims - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: