Urteil des Bundesverfassungsgerichts:Der Groschen ist gefallen

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Die Entscheidung der Verfassungsrichter steht fest: Bundestagsabgeordnete müssen ihre Nebeneinkünfte künftig offenlegen, sobald diese tausend Euro im Monat übersteigen. Auch wenn es durchaus berechtigte Argumente gegen eine solche Veröffentlichungspflicht gibt - das Urteil aus Karlsruhe ist absolut richtig.

Christoph Schäfer

Die Entscheidung der Karlsruher Richter hat lange auf sich warten lassen und ist mit vier zu vier Stimmen denkbar knapp ausgefallen. Im Ergebnis aber bedeutet ihr Urteil eine Stärkung der parlamentarischen Demokratie.

Die Gründe für und gegen eine Veröffentlichungspflicht der Nebeneinkünfte sind vielfältig. Das Hauptargument der Befürworter, auf das sich auch die Verfassungsrichter berufen, lässt sich jedoch nicht widerlegen: Von Nebentätigkeiten - wie etwa in Aufsichtsräten deutscher Großunternehmen - gehen laut Urteil "besondere Gefahren für die Unabhängigkeit" der Abgeordneten aus. Deshalb hat das Volk einen "Anspruch darauf" zu erfahren, von wem und in welcher Größenordnung seine gewählten Repräsentanten Einkünfte beziehen.

Wenn ein Abgeordneter, der beispielsweise im Verteidigungsausschuss sitzt, zugleich Geld von einem deutschen Rüstungskonzern bezieht, so wird die Unabhängigkeit seiner Entscheidungen zwangsläufig darunter leiden - und das wiederum ist für seine Wähler ein handfester Ansatzpunkt für ihre nächste Entscheidung an der Urne.

Das Vertrauen der Wähler wird gestärkt

Der SPD-Abgeordnete Christian Lange, einer der wesentlichen Initiatoren des Gesetzes, bringt dessen größten Vorzug auf den Punkt: Der Bürger wisse nun endlich, "wen er in der Bundestag wählt". Bisher mussten die Parlamentarier ihre Nebentätigkeiten dem Bundestagspräsidenten zwar melden, dieser durfte sie dann aber lediglich schemenhaft veröffentlichen. Angesichts mancher Skandale in den vergangenen Jahren stärkt die neue Transparenz das Vertrauen der Wähler in ihre Abgeordneten und die parlamentarische Demokratie insgesamt.

Einige Nachteile bringt das Karlsruher Urteil dennoch mit sich: Die Pflicht zur Offenlegung ihrer Nebeneinkünfte wird - wie von den Klägern befürchtet - aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass sich künftig noch weniger Freiberufler und Unternehmer um ein Mandat bewerben. Die ebenfalls neue Vorschrift, das Mandat müsse zudem im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten stehen, wird diese Entwicklung zusätzlich verschärfen. Mit anderen Worten: Die Zahl der Berufspolitiker im Bundestag wird weiter steigen, der Kontakt mit den Problemen der arbeitenden Bevölkerung tendentiell seltener.

Angesichts der immensen Vorteile der neuen Vorschriften sind diese Wermutstropfen allerdings hinzunehmen.

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