Untersuchungsausschus zum 11.9.:Ashcroft macht Clinton zum Sündenbock

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US-Justizminister John Ashcroft hat den früheren Präsident Bill Clinton für die Anschläge vom 11. September verantwortlich gemacht. Clinton sei "blind gegenüber den Feinden" gewesen.

Die Regierung unter Präsident George W. Bush habe nicht von bevorstehenden Anschlägen des Terrornetzwerkes al Qaida gewusst, weil die Clinton-Regierung "fast ein Jahrzehnt lang blind gegenüber den Feinden" gewesen sei, sagte Ashcroft am Dienstag vor dem unabhängigen Untersuchungsausschuss zum 11. September. In seinem Zwischenbericht bescheinigte der Ausschuss dem US-Justizminister dagegen, die Terrorgefahr in den USA unterschätzt zu haben.

Das am 11. September 2001 bestehende US-Geheimdienstsystem sei "zum Scheitern verurteilt" gewesen, sagte Ashcroft vor den Ausschussmitgliedern in Washington. Nach einer Prüfung der Sachlage im Februar 2001 kurz nach seinem Amtsantritt habe sich gezeigt, dass es unter Clinton trotz früherer Anschläge von al Qaida auf US-Ziele keine Pläne gegeben habe, al-Qaida-Chef Osama bin Laden zu töten.

Selbst ein Geheimprogramm zur Ergreifung Bin Ladens sei durch ein Gewirr aus Vorschriften und Beschränkungen behindert worden. "Selbst wenn es gelungen wäre, in Bin Ladens Trainingscamps einzudringen, hätten sie eine ganze Batterie von Anwälten gebraucht, um seine Festnahme durchzusetzen."

Ashcroft widersprach mit diesen Aussagen führenden Vertretern der Clinton-Regierung. Ashcrofts Amtsvorgängerin Janet Reno sagte vor dem Ausschuss, es sei die erklärte Absicht ihrer Regierung gewesen, Bin Laden "zu töten oder gefangen zu nehmen". Clintons nationaler Sicherheitsberater Samuel Berger hatte vor dem Untersuchungsgremium bereits am 24. März auf einen Angriff auf ein mutmaßliches al-Qaida-Trainingslager in Afghanistan verwiesen, um Bin Laden zu treffen. Über Clintons Absichten habe es nach dem Abschuss von 60 Marschflugkörpern im August 1998 "keinen Zweifel geben können". Clinton hatte den Angriff nach den Anschlägen auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania angeordnet.

Vorwurf: Terrorabwehr vernachlässigt

In ihrem in Washington veröffentlichten Zwischenbericht wirft die Untersuchungskommission Ashcroft vor, die Terrorgefahr vor dem 11. September 2001 unterschätzt zu haben. Am Tag vor den Anschlägen habe er einen Antrag des damaligen FBI-Direktors Thomas Pickard für mehr Geld zur Terrorabwehr abgelehnt. Ashcroft soll laut Pickard kein großes Interesse an Informationen über al Qaida gezeigt haben. Nachdem er den Justizminister zweimal über die Gruppe informiert habe, habe dieser ihm gesagt, "dass er solche Informationen nicht mehr hören will".

Der damalige FBI-Terrorabwehr-Chef Dale Watson sagte laut Kommissionsbericht, das Justizministerium habe die Terrorabwehr zugunsten der Bekämpfung von Waffengewalt und Drogenschmuggel völlig vernachlässigt.

Ashcroft wies dagegen Vorwürfe zurück, er habe die Terrorgefahr in den USA vor dem 11. September unterschätzt. "Ich habe die Sicherheit der Amerikaner sehr wichtig genommen und ich habe mich sehr für den Terrorismus interessiert - besonders für Bedrohungen im Inland." Für ihn habe es jedoch keine höhere Dringlichkeit gegeben.

Am Mittwoch sollen CIA-Chef George Tenet und sein FBI-Kollege Robert Mueller unter Eid vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Die Kommission hat zu klären, ob die US-Behörden die Terroranschläge vom 11. September hätten verhindern können und wie ähnliche Anschläge in Zukunft ausgeschlossen werden können. Die bisherigen Erkenntnisse des Gremiums brachten die Regierung Bush in Bedrängnis. Demnach war der US-Präsident bereits vor dem 11. September über die Gefahr von al-Qaida-Anschlägen in den USA informiert.

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