Unterschiedliche Lebensbedingungen:Köhler steht zu seinen umstrittenen Äußerungen

Lesezeit: 1 min

Trotz neuer Kritik und einer turbulenten innenpolitischen Debatte sieht Bundespräsident Horst Köhler keinen Anlass, seine strittigen Äußerungen zu den Lebensverhältnissen in Deutschland zu korrigieren oder zu ergänzen.

gras/höl/rkl Berlin - Präsidialamtssprecher Martin Kothe sagte der Süddeutschen Zeitung: "Der Bundespräsident hat sich sehr präzise geäußert und freut sich, dass seine Äußerungen inzwischen im Wortlaut bekannt sind."

Köhler musste für seine Aufforderung, unterschiedliche Lebensbedingungen in ganz Deutschland zu akzeptieren, neue Rügen einstecken, erhielt jedoch auch Zuspruch, sogar aus dem Regierungslager.

Führende Unionspolitiker nahmen ihn vor Kritik in Schutz. Die CDU-Vorsitzende und Unionsfraktionschefin Angela Merkel forderte mit Blick auf die heftige Diskussion mehr Sachlichkeit. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) rief in München dazu auf, nun konsequent über konkrete und optimale Förderpolitik zu diskutieren.

FDP-Chef Guido Westerwelle, der zusammen mit Merkel und Stoiber Köhlers Wahl zum Bundespräsidenten durchgesetzt hatte, gab dem Staatsoberhaupt grundsätzlich Recht. Anstoß nahm er aber an Köhlers Mahnung an die Ostdeutschen, flexibler zu sein.

Wenn die Westdeutschen nach der Vereinigung soviel Veränderungsbereitschaft gezeigt hätten wie die Ostdeutschen ginge es in ganz Deutschland besser.

Köhler hatte gesagt, dass es in Deutschland von Süd nach Nord und von West nach Ost ein Gefälle in den Lebensverhältnissen gebe und dass man das akzeptieren müsse, wenn man nicht einen Schuldenstaat wolle.

Anders als manche sozialdemokratische Ministerpräsidenten und Bundestagsabgeordnete vermieden die SPD-Spitze und die Bundesregierung Kritik am Präsidenten. SPD-Chef Franz Müntefering sagte, er wundere sich über "manche damit verbundene Aufregung".

Wer das Interview genau lese werde feststellen, dass die Aussagen "sehr ausgewogen" seien. Ebenso wie die Bundesregierung betonte Müntefering jedoch, das Ziel gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland dürfe nicht aufgegeben werden.

Dies verlange auch das Grundgesetz. Er wies aber zugleich darauf hin, dass es dabei nicht um die völlige Gleichheit oder Einheitlichkeit der Lebensumstände gehen könne. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) unterstützte Köhlers Äußerungen als "völlig richtige Beschreibung, von dem was ist".

"Nicht gerade hilfreich"

Neuerliche Kritik kam dagegen von der PDS und von den Grünen. Als "nicht gerade hilfreich" bezeichnete die Grünen-Vorsitzende Angelika Beer Köhlers Äußerung. Es bestehe die Gefahr, dass er, wenn auch ungewollt, die "Ost-West-Spaltung vertieft" und "dumpfen Populismus bedient".

Die Äußerungen des Präsidenten fielen aber in eine aufgeheizte öffentliche Debatte. Es könne sein, dass er mit derartigen Stellungnahmen Reformgegnern im Osten wie der PDS und den rechtsextremistischen Parteien in die Hände spiele, sagte sie mit Blick auf die Wahlen am Sonntag in Ostdeutschland. "Ich fürchte, er hat sich das nicht überlegt", sagte Beer.

© SZ vom 14.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: