Unicef-Bericht zur Kinderarmut:Ein Armutszeugnis

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Jedes sechste Kind in Deutschland ist arm, am schlimmsten steht es um den Nachwuchs von Alleinerziehenden und Migranten: Unicef veröffentlicht erschreckende Daten zur "Lage der Kinder".

Kinder sind in Deutschland häufiger arm als Erwachsene. Dies geht aus dem neuen Unicef-Bericht zur "Lage der Kinder in Deutschland" hervor, den die deutsche Sektion des UN-Kinderhilfswerks in Berlin vorlegte. Kinder Alleinerziehender sind demnach weit überdurchschnittlich von Armut bedroht, bis zu 40 Prozent der Ein-Eltern-Familien leben laut Unicef in relativer Armut. Die Opposition nannte die Ergebnisse beschämend.

"... und raus bis du" - ein Plakat des Sozialverbands VdK prangert Kinderarmut in Deutschland an. (Foto: Foto: ddp)

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) setzte sich erneut für ein gestaffeltes Kindergeld ein, um das Armutsrisiko Kinderreichtum auszuschalten. In dem Bericht des Kinderhilfwerks zur "Lage der Kinder in Deutschland" heißt es, trotz erheblicher Geldaufwendung erreiche Deutschland bei der Absicherung der Kinder nur Mittelmaß.

Die Experten kommen zu dem Ergebnis, dass mehr als jedes sechste deutsche Kind in Armut lebt. Gleiches gelte für 30 Prozent der Migrantenkinder sowie fast zwei Drittel der Kinder von Hartz-IV-Empfängern.

Bei Alleinerziehenden mit einem Kind sind den Angaben zufolge 38,2 Prozent mit Armutsrisiko konfrontiert, bei zwei Kindern steige die Quote auf 41,3 Prozent. Zum Vergleich: Im Paarhaushalt mit einem Kind liegt die Quote für das Armutsrisiko nur bei 12,1 und bei zwei Kindern bei 9,5 Prozent. Bei drei Kindern steige das Risiko aber wieder auf 14,1 Prozent an.

Ministerin von der Leyen kündigte an, dass nach Vorliegen des Existenzminimumberichts im Herbst neue Kindergeldentscheidungen anstünden. Tatsache sei, dass das Kindergeld für das erste und zweite Kind seit 2001, für das dritte Kind jedoch seit 1995 nicht mehr erhöht worden sei. "Man hat völlig das dritte Kind in diesem Land vergessen und damit auch die folgenden Kinder", bemängelte die Ministerin.

"Nicht Kinder machen arm"

Dadurch präge sich ein Bild, dass Kinderreichtum Hand in Hand gehe mit Abrutschen in finanziell prekäre Situationen. "Dies ist grundsätzlich falsch. Nicht Kinder machen arm, sondern Kinder leben in Armut, wenn die Eltern keine Arbeit haben und wenn die gezielten finanziellen Hilfen des Staates nicht wirkungsvoll genug sind", so von der Leyen.

Unicef stellte in seinem Bericht auch fest, dass chronische Krankheiten, Übergewicht und Verhaltensauffälligkeiten insbesondere bei benachteiligten Kindern stark zugenommen hätten. Die Kluft zwischen den Kindern, die gesund, abgesichert und gefördert aufwachsen und solchen, deren Alltag durch Hoffnungslosigkeit, Mangel und Ausgrenzung geprägt ist, reiße immer weiter auf und habe weitreichende Folgen für ihr ganzes Leben.

Kein sachlicher Widerspruch zum nationalen Armutsbericht

Kindergeld leistet nach Expertenaussagen den größten Beitrag zur Armutsbekämpfung: Gäbe es kein Kindergeld, würden demnach zusätzlich etwa 1,7 Millionen Kinder unter die Armutsgrenze rutschen. Eine deutliche Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes für Kinder forderte der Präsident des Sozialverbands VdK Deutschland, Walter Hirrlinger, angesichts des aktuellen Berichts. "Der Regelsatz muss um mindestens 20 Prozent, also von 208 auf 250 Euro steigen, damit betroffene Kinder nicht Gefahr laufen, dauerhaft ausgegrenzt zu werden."

Im nationalen Armutsbericht, dessen Entwurf Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) vor einer Woche vorgestellt hatte, war die Kinderarmut niedriger eingeschätzt worden: Danach ist nur etwa jedes achte Kind in Deutschland von Armut bedroht, während es in dem von der Familienministerin vorgestellten Unicef-Bericht jedes sechste ist. Von der Leyen sagte, die zu Grunde liegenden Daten seien unterschiedlich gewesen, in der Sache gebe es aber keinen Widerspruch.

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