Ungarn vor Vertrauensfrage:Opposition droht mit Massenprotesten

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Nach der Niederlage bei den Kommunalwahlen will Ungarns Regierungschef Gyurcsany mit der Vertrauensfrage im Parlament Stärke beweisen. Doch der eigentliche Machtkampf könnte auf der Straße stattfinden.

Ferenc Gyurcsany wird am Freitag im Parlament sein Regierungsprogramm, vor allem seine geplanten Wirtschaftsreformen, zur Abstimmung stellen.

Es gilt allerdings als sicher, dass der wegen seiner "Lügen-Affäre" unter Druck geratene Regierungschef die Vertrauensfrage gewinnen wird: Seine sozialliberale Koalition verfügt über eine komfortable Mehrheit im Parlament und hat ihm bereits Unterstützung zugesichert.

Gyurcsany räumte ein, dass die von Sparmaßnahmen geprägte Politik der Regierung von der Mehrheit der Bevölkerung kritisiert worden sei.

"Erbärmliche Lüge"

Er höre auch die Stimmen derjenigen, die die Regierung ermutigten, an ihrem Kurs festzuhalten. "Und ich antworte ihnen: Wir werden nicht aufgeben!" Einen Rücktritt schloss Gyurcsany weiter aus.

Der Chef der konservativen Oppositionspartei Fidesz, Victor Orban, nannte die Ankündigung Gyurcsanys eine "erbärmliche Lüge" und sagte, "die eigentliche Vertrauensabstimmung" habe bei der Wahl am Sonntag stattgefunden.

Er forderte die Sozialisten auf, den Regierungschef bis Donnerstag um 13 Uhr abzusetzen. Andernfalls werde er für Freitag zu einer Massendemonstrationen aufrufen. 2002 hatte Orban Demonstrationen mit mehr als 400.000 Menschen in Budapest organisiert.

Regierungsblock weit abgeschlagen

Gyurcsanys Sozialisten und die mit ihnen verbündeten Liberalen hatten am Sonntag die Mehrheit der Regionalparlamente und die meisten Bürgermeisterämter in den großen Städten an die rechtskonservative Fidesz und ihren christdemokratischen Alliierten verloren.

Die Opposition hatte die Wahl als Stimmungstest für den sozialistischen Regierungschef nach seiner "Lügen-Affäre" gesehen und wiederholt seinen Rücktritt gefordert.

Der parteiunabhängige konservative Präsident Laszlo Solyom hatte das Parlament bereits am Sonntagabend zu einem Misstrauensvotum aufgerufen. Gyurcsany weigere sich zuzugeben, dass er mit "unzulässigen Mitteln" an der Macht bleiben wollte, ihm fehle nun der Rückhalt für seine Reformen, sagte Solyom.

Zugleich räumte der Staatschef jedoch ein, dass der von der Regierung eingeleitete Sparkurs eine der "dringendsten" Aufgaben des Landes seien.

Rigoroses Sparpaket

Gyurcsany steht unter Druck, seit vor zwei Wochen Tonbandaufnahmen aufgetaucht waren, auf denen er bei einem parteiinternen Auftritt einräumte, die Bevölkerung vor der Parlamentswahl bewusst über den Zustand der Wirtschaft getäuscht zu haben.

Nach dem Wahlsieg im April verpasste der sozialistische Regierungschef dem Land entgegen vorheriger Ankündigungen ein rigoroses Sparprogramm. Die Enthüllungen lösten tagelange heftige und teilweise gewalttätige Protestkundgebungen der Opposition und des rechtsextremen Lagers aus. Auch am Sonntag hatten wieder 10.000 Menschen in Budapest demonstriert.

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