Unabhängigkeits-Referendum:Katz und Maus in Katalonien

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Spaniens Regierung beschlagnahmt Wahlzettel und Urnen - aber die aufmüpfige Regionalführung druckt die Formulare einfach nach und versteckt die Stimmkästen im Nachbarland Frankreich.

Von Thomas Urban, Madrid

Ein Streit um die Befehlsgewalt über die katalanische Regionalpolizei verschärft die Spannungen zwischen der spanischen Regierung in Madrid und der Regionalregierung in Barcelona. Nach einer Mitteilung der politschen Führung in Barcelona soll das vom spanischen Verfassungsgericht verbotene Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens trotz der schweren Behinderungen durch die spanischen Zentralbehörden am 1. Oktober stattfinden. Nach Recherchen der Madrider Tageszeitung El País haben zu den Spannungen auch falsche Nachrichten, Fake News, beigetragen, die sich, offensichtlich aus Russland gesteuert, massenhaft in sozialen Netzwerken verbreiteten.

Die spanische Staatsanwaltschaft ordnete an, dass alle Einheiten der Mossos, der katalanischen Regionalpolizei, ab sofort dem Innenminister in Madrid unterstünden. Der katalanische Innenminister Joaquim Forn erklärte dazu: "Wir werden diese Kontrolle nicht akzeptieren." Nach Forns Worten sind Unterstellung und Kompetenzen der Mossos gesetzlich klar geregelt. Ein Staatsanwalt sei nicht befugt, daran etwas zu ändern. Madrid hatte am Wochenende weitere Polizeieinheiten aus anderen Regionen des Landes in Marsch gesetzt, sie sollen die Abstimmung am kommenden Sonntag verhindern.

In den sozialen Medien kommentiert offenbar Moskau fleißig mit

Im Informationsdienst der spanischen Regierung wurde darauf hingewiesen, dass das Referendum von Anfang an auch formal gegen die Wahlordnung der Region Katalonien verstoßen habe. So seien Wählerlisten nicht öffentlich ausgelegt, die Wahlvorstände nicht öffentlich ausgelost und die Mitglieder der Wahlkommission als oberste Instanz nicht vom Parlament in Barcelona mit absoluter Mehrheit bestätigt worden.

Die Regionalregierung warf der Zentralregierung und den Justizbehörden erneut vor, dass sie mit der Beschneidung von Bürgerrechten und den Polizeieinsätzen faktisch den Ausnahmezustand über die Region verhängt hätten. Das könne aber einzig und allein das Parlament in Madrid verfügen. Dort habe der spanische Premierminister Mariano Rajoy keine Mehrheit für die drastischen Maßnahmen gegen die katalonische Führung. Der Regierungschef hatte hinnehmen müssen, dass die Baskische Nationalistische Partei, eine trotz ihres Namens gemäßigt konservative Gruppierung, die bislang seinem Minderheitskabinett in mehreren wichtigen Abstimmungen Mehrheiten garantiert hatte, seinen Kurs gegenüber Barcelona scharf kritisiert hat.

Auch am Sonntag demonstrierten in mehreren Großstädten Kataloniens Tausende für das "Recht auf Abstimmung". Der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont teilte mit, dass angesichts der Festnahmen von Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung und der Beschlagnahme von Millionen Stimmzettel durch die Guardia Civil, Spaniens nationale Polizeitruppe, nun ein "Notfallplan" zur Ausführung komme. Die Katalanische Nationalversammlung (ANC), der Dachverband mehrerer Hundert Bürgerinitiativen, welche die Loslösung von Spanien unterstützen, präsentierte neue Stimmzettel, die bereits verteilt worden seien, die Rede war von einer Million. Die Guardia Civil suchte weiter nach Wahlurnen, die beim Referendum eingesetzt werden sollen; Medien vermuten sie in Südfrankreich. In Barcelona rechnet man damit, dass in der zweiten Wochenhälfte der Grenzverkehr scharf kontrolliert werde.

Nach Recherchen der Zeitung El País haben viele Kommentare in sozialen Medien und in Foren der Presse und Fernsehsender, in denen Madrid eine brutale Unterdrückung der Demokratie in Katalonien vorgeworfen wird, denselben Ursprung bei russischen Internetkennungen wie Kampagnen für den Brexit, für Marine Le Pen in Frankreich und die AfD in Deutschland. Der Zeitung zufolge liegt die Abspaltung Kataloniens im Interesse des Kremls, der eine nachhaltige Schwächung der EU anstrebe. Ein Großteil der kurzen Texte werde automatisch über Bots verbreitet, mit der offenkundigen Absicht, Spannungen zu verschärfen. Auch das spanischsprachige Programm des vom Kreml gesteuerten Nachrichtenkanals Russia Today (RT) hat laut El País Falschmeldungen verbreitet, so, dass die EU-Kommission das Referendum anerkennen werde.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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