UN:Vorteil für die Viererbande

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Zum ersten Mal ist das Ziel, Deutschland einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu verschaffen, in realistische Nähe gerückt. Deutschland, Japan, Indien und Brasilien könnten bald per Kampfabstimmung ständig in den Sicherheitsrat einziehen.

Von Stefan Ulrich

Wenn die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes derzeit nicht so mit der Visa-Affäre beschäftigt wären, könnten sie jetzt Sektkorken knallen lassen. Denn das ehrgeizigste Projekt deutscher Außenpolitik hat einen Schub erhalten. Vielleicht zum ersten Mal ist das Ziel, Deutschland einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu verschaffen, in realistische Nähe gerückt. Generalsekretär Kofi Annan selbst hat den deutschen Ambitionen diesen Auftrieb verschafft.

Indiens Premier Singh (links), Japans Premierminister Koizumi (2. von links), Brasiliens Präsident Lula da Silva (2. von rechts) and Bundesaußenminister Joschka Fischer nach einem Gespräch über die UN-Sicherheitsratsreform am 21. September 2004 in New York (Foto: Foto: dpa)

Sein Reformprogramm, das er am Montag in New York präsentierte, nennt die Bundesrepublik zwar nicht explizit. Es unterstützt aber die Strategie, mit der Berlin in das höchste Weltgremium einziehen will. Bei den UN heißt es dazu: "Die Deutschen haben bekommen, was sie sich nur wünschen konnten."

Kein Konsens um jeden Preis

Dabei ist dem Sicherheitsrat gerade mal eine Seite des Reports gewidmet. Doch diese Seite hat es in sich. Zunächst stellt Annan klar, dass "jede Reform der Vereinten Nationen ohne eine Reform des Sicherheitsrats unvollständig ist". Dann propagiert er eine Erweiterung des Rats, um ihn leistungsfähiger und repräsentativer zu machen.

Und schließlich fordert er die 191 UN-Mitgliedstaaten "nachdrücklich" auf, noch vor einem Gipfeltreffen im September über die Ratsreform zu entscheiden. Dabei, so Annan, wäre ein Konsens vorzuziehen. "Sollten sie aber keinen Konsens erzielen, darf dies nicht zum Vorwand dafür werden, die Beschlussfassung hinauszuschieben." Aus dem Diplomatenjargon übersetzt bedeutet das: Annan plädiert für eine rasche Kampfabstimmung.

Diese Haltung erfreut die deutschen Diplomaten in New York um Botschafter Gunter Pleuger. Denn sie stärkt das Team im Kampf zweier Staatengruppen, die um die Ratsreform ringen. Beide streben eine Erweiterung des Gremiums von 15 auf 24 Staaten an.

Laut Modell A soll es dabei auch sechs neue ständige Mitglieder geben. Bislang sind nur die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China dauerhaft im Rat vertreten.

Nach Modell B sollen dagegen nur nichtständige, auf zwei bis vier Jahre gewählte Mitglieder hinzukommen.

Modell A verficht die so genannte Viererbande, zu der sich Deutschland, Japan, Indien und Brasilien zusammengeschlossen haben. Sie wollen gemeinsam für immer in den Sicherheitsrat. Modell B wird dagegen von Mittelmächten wie Italien und Pakistan propagiert, die selbst keine Chance auf einen ständigen Sitz haben und ihn deshalb auch anderen Staaten nicht gönnen.

Die Modell-B-Länder unter der Führung Italiens haben sich in New York zu einem Block zusammengeschlossen, der sich früher "Kaffee-Klub" nannte und der jetzt unter dem Schlagwort "Vereint für den Konsens" agiert.

Die Argumentation des Klubs: Die Reform des Sicherheitsrats ist so wichtig, dass sie nur im Konsens erfolgen darf. "Das ist eine Blockadehaltung, weil es niemals einen Konsens über die Ratserweiterung geben wird", heißt es dazu im UN-Generalsekretariat. Deswegen hat sich Kofi Annan nun kaum verhohlen für eine Kampfabstimmung ausgesprochen. "Das ist ein Schlag ins Gesicht des Kaffee-Klubs", urteilen Diplomaten.

Erweiterung in zwei Schritten

Deutschland und seine Verbündeten werden nun die rasche Entscheidung in der UN-Generalversammlung suchen. In New York wird erwartet, dass sie im Mai oder Juni eine Resolution zur Abstimmung stellen, die eine Erweiterung des Rats um sechs neue ständige Mitglieder vorsieht. In einem zweiten Schritt könnten dann die sechs Staaten bestimmt werden - neben der Viererbande würden das noch zwei afrikanische Länder sein.

Um zum Erfolg zu kommen, müssen Deutschland und Co. eine Zweidrittelmehrheit der UN-Staaten gewinnen. Ob das gelingt, ist offen. Schon jetzt aber hat eine Mehrheit der Staaten zu erkennen gegeben, dass sie für neue ständige Ratsmitglieder plädiert. Ist die Zweidrittelhürde genommen, müssen alle fünf derzeitigen ständigen Ratsmitglieder die Reform ratifizieren. Die große Unbekannte ist dabei Amerika.

Noch hält sich Washington bedeckt. Allerdings hat sich Außenministerin Condoleezza Rice gerade für einen ständigen Sitz Japans ausgesprochen. Aus dieser Zusage schöpfen auch die Deutschen Zuversicht. Denn die Viererbande agiert nach dem Motto: alle oder keiner. Ein Diplomat meint dazu: "Die USA wissen ganz genau, dass sich die Japaner bei der Ratsreform in Nibelungentreue an die Deutschen gebunden haben."

© SZ vom 22.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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