UN-Konferenz zum Drogenhandel:Tödliche Therapie

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Der Krieg gegen den Rauschgifthandel schränkt den Konsum ein. Zugleich nährt er einen riesigen Schwarzmarkt - der Umsatz ist größer als der von Tabak, Wein, Bier, Schokolade, Kaffee und Tee zusammen.

N. Richter

Wenn die Polizei anrückt, gibt es Tote. Das ist eine der wenigen Gewissheiten im Kampf gegen das Rauschgift und seine Herren. Wenn die Spezialeinheiten ausschwärmen zu täglichen Razzien in den Slums von Mexiko-Stadt oder in den Favelas von Rio de Janeiro, dann sind am Ende oft mindestens ein Polizist tot und gleich etliche jener Kindersoldaten, die im Auftrag der Clans zurückgeschossen haben. Die Bilanz, am Ende eines jeden Tages: viele Tote, unzählige Verwundete und Verkrüppelte.

Mit aller Härte gehen die lateinamerikanischen Staaten gegen Drogenhandel vor - hier ein Soldat in Venezuela vor einem Versteck der Kartelle. (Foto: Foto: AFP)

Wäre die Bilanz eine andere, wenn der Staat die Drogenbarone einfach gewähren ließe, wenn diese, ganz legal, ihren Stoff verkaufen dürften? Ist in der weltweiten Drogenbekämpfung die Kur am Ende tödlicher als die Krankheit, die man seit Jahrzehnten weltweit zu besiegen versucht? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Konferenz der Suchtstoff-Kommission der UN in Wien. Die Vereinten Nationen möchten sich im Kampf gegen Rauschgift neu abstimmen.

Verstörende Ergebnisse

Auf die verstörenden bisherigen Ergebnisse hat die Kommission im Vorfeld hingewiesen: Die internationalen Kontrollen hätten den Kreis der Konsumenten illegaler Substanzen demnach auf einen kleinen Kreis der Weltbevölkerung beschränkt, doch gebe es eine "dramatische, unbeabsichtigte Konsequenz - einen kriminellen Markt von atemberaubendem Ausmaß". Der beachtlichste Kollateralschaden der Drogenbekämpfung "ist ein lukrativer Schwarzmarkt für verbotene Substanzen, dominiert von mächtigen Kartellen, und folglich beispiellose Gewalt und Korruption".

Das sind Argumente für all jene, die seit Jahren eine Legalisierung auch harter Drogen wie Kokain und Heroin verlangen. Sie fordern, dass die Regierungen lieber aufklären sollten über die Gefahren des Konsums und die Süchtigen besser betreuen, anstatt Milliarden für eine Auseinandersetzung zu bezahlen, die am Ende womöglich mehr Menschenleben fordert, als es legalisierte Rauschgifte je könnten.

Die UN-Kommission ist sich dieser Vorwürfe bewusst und versucht sie gleich im Ansatz zu ersticken. "Soll die Menschheit Pädophilie oder Waffenschmuggel hinnehmen, aus einem naiven Gefühl des Unvermeidbaren heraus? Dies wäre zynische Resignation."

Was es aber bedeutet, den Kampf fortzusetzen oder gar noch entschlossener zu führen, zeigen ein paar Zahlen: Die UN schätzen den weltweiten Umsatz mit Drogen auf 320 Milliarden Dollar. Wäre dieses Geschäft eine Volkswirtschaft, dann rangierte diese unter allen Ländern der Welt an 21. Stelle, gleich hinter Schweden.

Der Umsatz ist größer als der von Tabak, Wein, Bier, Schokolade, Kaffee und Tee zusammen. Der größte Teil der berauschenden Substanzen wird im reichen Norden konsumiert, die Rohstoffe stammen aus dem armen Süden, aus der Andenregion, aus Afghanistan, dem Goldenen Dreieck in Südostasien.

Opfer überall

Opfer sind auf beiden Seiten zu beklagen. Im Norden sind es die Drogentoten. Die größten Schäden aber hat der Süden zu verkraften, hier hinterlässt die Drogenbekämpfung eine kaputte Welt aus Gewalt und Korruption. Der US-Drogenbeauftragte Edward Jurith würdigte in Wien die "Opfer", die Länder wie Kolumbien gebracht hätten, um die Kokainproduktion einzudämmen.

Präsident Álvaro Uribe habe das Land durch seinen "unermüdlichen" - und von den USA finanzierten - Kampf gegen die Koka-Kulturen bemerkenswert verändert. Wie unterschiedlich die Blickwinkel allerdings sind, zeigte Boliviens Präsident Evo Morales, der bei der Wiener Konferenz für eine Freigabe des Koka-Konsums für medizinische Zwecke warb und gleich selbst ein Koka-Blatt in den Mund nahm. Kokain wird aus Koka erst durch einen aufwendigen chemischen Prozess. Sein Land werde den Anbau weiter begrenzen, aber nicht ganz untersagen, erklärte Morales. Laut UN-Drogenkonvention sollte der Gebrauch von Koka seit 1989 verboten sein.

Die wichtigsten Drogentransportwege - klicken Sie auf die Grafik, um das Popup zu öffnen. (Foto: Grafik: SZ)

Die Vereinten Nationen versuchen zu vermitteln, indem sie von allen Staaten mehr einfordern. Die Regierungen hätten das Problem oft mit dem Vorschlaghammer bekämpft, indem sie etwa Süchtige zu Kriminellen erklärt hätten, beklagt die UN-Kommission. Stattdessen sollten jene Ghettos oder Landstriche in die Legalität zurückgeholt werden, in denen Sucht und Schmuggel um sich greifen.

Beklagenswert sei auch der Zustand internationaler Kooperation. Abkommen gegen organisierte Kriminalität würden wenig oder gar nicht umgesetzt, und der Geldwäsche stelle sich niemand entgegen. Schließlich fordern die UN, auch bei der Verfolgung von Kriminellen die Menschenrechte zu achten: "Drogen töten, aber Gesellschaften sollten nicht ihretwegen töten."

© SZ vom 13.3.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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