Umstrittene Trauerrede:Schwester von Nazi-Opfer fordert Oettingers Rücktritt

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Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger gerät immer mehr unter Druck: Die Schwester des 1945 als Fahnenflüchtiger hingerichteten Walter Gröger forderte seinen Rücktritt. Er habe während seiner Trauerrede für Hans Filbinger gelogen.

Nach der umstrittenen Trauerrede von Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger reißen die Forderungen nach einer Entschuldigung nicht ab. Auch ein Rücktritt wurde ins Gespräch gebracht.

Die Schwester des 1945 in Oslo als Fahnenflüchtiger hingerichteten Walter Gröger griff Oettinger in der Bild- Zeitung Oettinger scharf an.

Ursula Galke (78) sagte dem Blatt: "Ein Mensch von seiner Intelligenz sollte nicht so lügen. Wer so dumm daherredet, ist eines solchen Amtes nicht würdig. Es würde nicht schaden, wenn er geht."

Galke sagte weiter: "Herr Filbinger war bei der Tötung meines Bruders dabei. Er hat ihm das Todesurteil selbst verlesen und ihm zynischerweise noch die Bürgerrechte vor der Hinrichtung aberkannt.

"Unverfrorene Lüge"

Die Äußerungen von Herrn Oettinger sind eine unverfrorene Lüge!" Oettinger hatte dem am 1. April gestorbenen Filbinger bei der Trauerfeier am Mittwoch in Freiburg bescheinigt, er sei "kein Nationalsozialist" gewesen, sondern "ein Gegner des NS-Regimes". Es gebe kein Urteil von Filbinger, "durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte".

"Es würde politisch-moralische Größe zeigen, wenn Oettinger einen Satz der Entschuldigung formulieren würde", sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) der Frankfurter Rundschau vom Samstag.

Er nannte Oettingers Äußerungen bei der Beerdigung seines einstigen Amtsvorgängers Hans Filbinger (CDU) "peinlich bis dreist". "Filbinger, den Protagonisten der Uneinsichtigen, zum Widerstandskämpfer umzudeuten, ist wirklich fatal", sagte Thierse der Zeitung.

"Offensichtlich kein Unrechtsbewusstsein"

Der Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch- jüdische Studien in Potsdam, der Historiker Julius Schoeps, forderte Oettingers Rücktritt. "Da er offensichtlich kein Unrechtsbewusstsein in dieser Angelegenheit zu entwickeln in der Lage ist, wäre die CDU in Baden-Württemberg gut beraten, wenn sie Herrn Oettinger auffordert, den Hut zunehmen - im Interesse des Landes und in seinem eigenen Interesse", sagte Schoeps der Netzeitung.

Filbinger hatte Baden-Württemberg von 1966 an regiert. 1978 trat er zurück, nachdem mehrere Todesurteile gegen Deserteure bekannt geworden waren, an denen er als NS-Marinerichter gegen Ende des Zweiten Weltkriegs mitgewirkt hatte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Oettingers Worte am Freitag ungewöhnlich direkt kritisiert.

Grüne verlangen Entschuldigung

Die Grünen verlangten ebenfalls eine Entschuldigung. "Oettinger muss diese Aussagen zurücknehmen und mit einem Wort des Bedauerns auch den Opfern des Nationalsozialismus den nötigen Respekt zollen", sagte der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, in der Netzeitung.

Auch die FDP forderte, Oettinger müsse sich nun äußern. "Man kann die Vergangenheit nicht ausblenden. Vor allem aber darf der Verdacht einer Geschichtsklitterung nicht aufkommen. Es wäre schön, wenn der Ministerpräsident das selbst klären würde", sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel der Berliner Zeitung. Die FDP bildet mit Oettingers CDU die Regierungskoalition in Baden-Württemberg.

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