Umstrittene Pläne:London will Nuklearstreitmacht modernisieren

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Die britische Regierung plant, eine neue Flotte von U-Booten zu bauen, auf denen Raketen mit Atomsprengköpfen stationiert sind. Investiert werden sollen bis zu 30 Milliarden Euro.

Wolfgang Koydl

Großbritannien ist entschlossen, seine nukleare Abschreckungsstreitmacht "Trident" zumindest teilweise zu modernisieren. Wie aus Regierungskreisen verlautete, soll für Gesamtkosten in Höhe von bis zu 20 Milliarden Pfund (30 Milliarden Euro) in den kommenden Jahren eine neue Flotte von U-Booten gebaut werden, auf denen Raketen mit Atomsprengköpfen stationiert sind.

Die Entscheidung, die in einem Weißbuch des Verteidigungsministeriums begründet wird, ist in der regierenden Labour-Partei umstritten. Politische Beobachter halten es für sicher, dass Premierminister Tony Blair bei der Unterhausabstimmung über das Projekt im kommenden März auf die Stimmen der konservativen Opposition angewiesen sein wird.

Nach den offiziellen Angaben soll die Zahl der Träger-U-Boote von derzeit vier auf drei reduziert werden. Darüber hinaus soll voraussichtlich auch die Zahl der Sprengkörper um 20 Prozent von heute etwa 200 auf 160 verringert werden.

Als Labour 1997 die Regierungsgeschäfte übernahm, befanden sich noch 300 Atomsprengköpfe in den britischen Arsenalen. Die erneute Reduktion gilt als Zugeständnis der Regierung an Abrüstungsvorschriften, die im Atomwaffensperrvertrag niedergelegt sind.

Befürworter der Modernisierung machen geltend, dass die britischen U-Boote der Vanguard-Klasse, die in den USA produzierten Trident-D5-Raketen und die Sprengköpfe spätestens in den 20er Jahren veraltet sein werden und außer Dienst gestellt werden müssen. Da die Entwicklung neuer Waffensysteme jedoch bis zu 14 Jahre dauere, müsse eine Entscheidung schon jetzt getroffen werden.

"Völlig falsche Botschaft"

Dies sei zudem kostengünstiger als wenn man die U-Boote fünf Jahre länger als geplant behalten würde. Auch eine Verschiebung der Entscheidung bis 2014, was unter anderem von der kleinen Oppositionspartei der Liberaldemokraten verlangt wird, findet keine Zustimmung des Verteidigungsministeriums. Darüber hinaus machten die veranschlagten Gesamtkosten über die Jahre gerechnet nur fünf Prozent des jährlichen Verteidigungshaushaltes und 0,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus.

Gegner des Projektes weisen darauf hin, dass ein nukleares System der Abschreckung mehr als zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges unpraktikabel und nicht mehr zeitgemäß sei. Nach den Worten des früheren Verteidigungsministers und Labour-Abgeordneten Peter Kilfoyle ist der Zeitpunkt für eine Modernisierung von Trident ungünstig. "Damit verbreiten wir eine völlig falsche Botschaft", sagte er.

"Wir kennen noch nicht einmal den mutmaßlichen Feind, gegen den diese Dinger in Zukunft gerichtet sein sollen. Dies ist eine Waffe, die für den Kalten Krieg entwickelt wurde und die nicht unbedingt für die Zukunft passt." Beobachter in Westminster gehen davon aus, dass 40 Labour-Abgeordnete zum harten Kern der Gegner der Modernisierung gehören. Unklar ist, wie viele der insgesamt 352 Labour-Mitglieder im Unterhaus sich ihnen anschließen werden.

Zuversichtlich äußerte sich ein anonym bleibendes Regierungsmitglied in einem Gespräch mit der Londoner Tageszeitung Guardian: "In der Fraktion wird es sicher einige Probleme geben", sagte er. "Meine Aktivisten werden das (Modernisierungsprojekt) nicht haben wollen, aber sie werden letztlich nicht dagegen stimmen."

Zustimmung scheint der Regierung von Seiten der Konservativen Partei sicher zu sein. Julian Lewis, ein verteidigungspolitischer Experte der Torys, erklärte, er halte es für "sehr wahrscheinlich", dass seine Fraktion die Vorschläge der Regierung unterstützen werde. Schatten-Verteidigungsminister Liam Fox bezeichnete es als "verrückt", wenn das Vereinigte Königreich "in einer zunehmend unsicheren Welt, in der Länder wie Nordkorea Nuklearwaffen entwickeln", einseitig abrüsten würde.

Diese Forderung war in einem Gegen-Weißbuch enthalten, das die Abrüstungslobby Campaign for Nuclear Disarmament (CND) vorlegte. "Wenn wir weiter Atomwaffen entwickeln, können wir absolut sicher sein, dass viele andere Länder Nuklearwaffen weiterverbreiten und wir am Ende einen Atomkrieg haben werden", sagte CND-Sprecherin Kate Hudson.

© SZ vom 5.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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