Umstrittene Atomgeschäfte mit China und Finnland:Grüne bringen Nato und USA ins Spiel

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Die Grünen lassen nicht locker. NRW-Umweltministerin Höhn ist der Meinung, vor einem Verkauf der Hanauer Fabrik müssten das Militärbündnis und die USA einbezogen werden: "Deren Sicherheitsinteressen sind berührt." Sollte die Anlage doch an China geliefert werden, müsse sie durch die Internationale Atombehörde IAEA überwacht werden.

Dies forderte Vize-Fraktionschef Reinhard Loske in der Berliner Zeitung. "Die Fabrik muss der lückenlosen Aufsicht durch die Internationale Atomenergiebehörde in Wien unterworfen werden." Nur so könne eine militärische Nutzung verhindert werden.

Parteichef Reinhardt Bütikofer sagte im ZDF, die Grünen würden alle politischen und rechtlichen Möglichkeiten nutzen, die das Außenwirtschaftsgesetz biete. In Richtung Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte er warnend: "Dass der Kanzler nicht mit sich selbst koaliert, sondern mit den Grünen, das muss ja auch irgendwo zum Ausdruck kommen." Von einer Koalitionskrise wollte er jedoch nicht sprechen, es gebe lediglich "Meinungsdifferenzen".

Höhn: "Ganz neue Dimension"

Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Baärbel Höhn (Grüne) ist der Meinung, dass durch einen Verkauf der Hanauer Anlage "internationale Sicherheitsinteressen" berührt sein. Dieser Fall sei eine "ganz neue Dimension". Deshalb müssten vor einem Verkauf die Nato sowie die USA konsultiert werden.

Höhn unterstrich gegenüber der Rheinischen Post ihre Auffassung, wonach das geplante Geschäft im "krassen Widerspruch" zur rot-grünen Atomausstiegspolitik stehe. Ähnliches steht auch in einer Beschlussvorlage des Fraktionsvorstandes für die Fraktionssitzung an heutigen Dienstag, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.

Die Grünen lehnen ebenfalls den von der Industrie erwogenen Export des Reaktorkerns des Schneller Brüters in Kalkar nach China ab. Dieser Kern, der sich in staatlicher Verwahrung in Hanau befinde, enthalte die unbenutzten Brennelemente des Brutreaktors und damit rund 1,6 Tonnen Plutonium.

Ein Export der Brennelemente, die dem Energiekonzern RWE/RSNR gehören, ist laut Bütikofer mit dem Atomgesetz nicht vereinbar. In dem Antrag heißt es: "Der Export des Reaktorkerns ist für uns nicht akzeptabel."

Zur diskutierten Bürgschaft für den Bau eines Atomkraftwerks in Finnland schreiben die Grünen: "Wir lehnen die Erteilung einer Hermesbürgschaft für die Lieferung von Teilen für den finnischen Reaktor ab und erwarten dies auch von der Bundesregierung."

Auswärtiges Amt: Verkauf der Hanauer Anlage kurz vor Genehmigung

Die energiepolitische Sprecherin Michaele Hustedt sagte der Thüringer Allgemeinen, die Partei gehe davon aus, dass Außenminister Joschka Fischer (Grüne) im Ausschuss für Außenwirtschaftsförderung gegen die Bürgschaft stimme.

Gleichwohl steht das von Schröder unterstützte Atomgeschäft mit China nach Regierungsangaben kurz vor der Genehmigung. Es gehe noch darum, eine militärische Nutzung der Anlage auszuschließen, erklärte das Auswärtige Amt am Montag.

Kritik auch in der SPD

Auch in der SPD stehen nicht alle hinter dem von Bundeskanzler Schröder während seiner China-Reise verkündeten Verkauf der Plutoniumfabrik. Die schärfste Kritik äußerte das linke Vorstandsmitglied Hermann Scheer.

Er widersprach in der Stuttgarter Zeitung Aussagen des SPD-Generalsekretärs Olaf Scholz im Anschluss an die SPD-Vorstandssitzung vom Montag. "Es gab keine Abstimmung. Und wie man aus der Diskussion mit vielen kritischen Stimmen breite Unterstützung herauslesen kann, ist mir unerfindlich."

Der SPD-Fraktionsvize Michael Müller forderte die Abgeordneten zum Widerstand gegen das Finnlandgeschäft auf. Siemens "braucht überhaupt keine Bürgschaft", sagte er dem Berliner Kurier. "Ich befürchte, dass durch diesen Antrag das Ziel verfolgt wird, die Atomkraft - eine Dinosauriertechnik - auf diesem Umweg wieder hoffähig zu machen. Und das sollten wir auf keinen Fall zulassen."

Atomexperten rätseln über Chinas Wunsch nach Hanauer Atomanlage

Deutsche Atomexperten sind sich über den Sinn des chinesischen Wunsches nach der Hanauer Plutoniumanlage uneinig. Professor Dieter Schmitt von der Universität Essen erklärte im Handelsblatt, die Chinesen brauchten die Hanauer Anlage nicht für ihre Kernwaffenproduktion, da sie diese seit Jahrzehnten auch ohne betrieben.

Der Kernphysiker Wolfgang Liebert von der TU Darmstadt hingegen verweist auf das geplante Raketenabwehrsystem der USA. Sollte dieses realisiert werden, "hätten die Chinesen nur eine Chance, wenn sie die Zahl ihrer Atomwaffen drastisch erhöhen - zumindest wäre dies eine typische Reaktion einer Atommacht", sagte Liebert der Zeitung.

Zwar verfüge China schon heute über mehr als 400 Atomsprengköpfe, "darunter aber nur 20, die die USA erreichen können". Eine weit größere Plutoniumproduktion würde der schnellen Brüter ermöglichen, der im Bau ist und bis 2005 fertig sein soll. Als Vorstufe brauche ein schneller Brüter aber eine Anlage wie die aus Hanau, sagte Liebert.

(sueddeutsche.de/dpa/AP)

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