Umberto Eco:"Der Niedergang unseres Landes wäre unaufhaltsam"

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Der Autor ruft zur Abwahl Berlusconis auf - und will enttäuschte Linke zum Urnengang motivieren.

Für die Vereinigung "Libertà e Giustizia" (Freiheit und Gerechtigkeit) hat Umberto Eco einen Wahlaufruf verfasst, den wir im Folgenden in gekürzter Fassung dokumentieren. Der vollständige Originaltext findet sich unter www.libertaegiustizia.it.

Umberto Eco (Foto: Foto: dpa)

"Wir stehen vor einer dramatischen Entscheidung. Zwischen 2001 und heute ist Italien auf erschreckende Weise verkommen, wenn man an die Gesetzgebung zur Verfassung, die wirtschaftliche Lage oder das Ansehen im Ausland denkt.

Sollten wir für weitere fünf Jahre eine rechte Regierung bekommen, wäre der Niedergang unseres Landes unaufhaltsam, und vielleicht würden wir dann nie wieder auf die Beine kommen. Die Entscheidung des 9. April unterscheidet sich deshalb von allen anderen Wahlentscheidungen der Vergangenheit.

Zuvor ging es darum, zu entscheiden, wer regieren soll, ohne dass man den Verdacht haben musste, dass ein Regierungswechsel alle demokratischen Einrichtungen aufs Spiel setzen würde. Dagegen geht es heute darum, diese Einrichtungen zu retten.

In dieser Lage versuchen die Oppositionsparteien, die Stimmen der Unentschlossenen zu gewinnen, die bei der vergangenen Wahl für Berlusconi und seine Verbündeten gestimmt haben, heute aber von dieser Koalition enttäuscht sind.

Die Parteien müssen das tun, aber wenn ich mich an die Mitglieder und Sympathisanten von Libertà e Giustizia wende, ist mir eine andere Überlegung wichtig (...)

Ich glaube, dass wir alles unternehmen müssen, nicht um die Unentschlossenen der Rechten zu überzeugen, sondern die Enttäuschten der Linken. Wir kennen sie, und hier ist nicht der Ort, die Gründe für ihren Unmut zu untersuchen.

Aber ihnen muss klargemacht werden, dass sie, wenn sie sich von ihrem Unmut leiten lassen, dazu beitragen, Italien in den Händen desjenigen zu lassen, der es ruiniert hat. Es gibt keinen wie auch immer gerechtfertigten Unmut, der die Befürchtung aufwiegt, dass unsere Demokratie total einbrechen könnte, und der die Empörung aufwiegt, die jeden aufrechten Demokraten ergreifen muss, wenn man an den Missbrauch der Gesetze, der Gewaltenteilung und des Staatsbewusstseins denkt.

Das muss jeder von uns den unsicheren und enttäuschten Freunden ins Gedächtnis rufen. Vor allem von diesen Freunden und ihrem Einsatz wird es abhängen, ob verhindert werden kann, dass Italien für weitere fünf Jahre zum Feld für räuberische Privatinteressen wird (...)

Diesmal könnte das Schiff untergehen. Jedermann muss auf seinem Posten sein."

© SZ vom 7.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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